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23.11.2020

Corona und Sorgearbeit: Doch keine Retraditionalisierung?

Die Corona-Krise würde zu einer „Retraditionalisierung“ in der Verteilung der Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern führen, so die Soziologin Jutta Allmendinger im Mai 2020. In der Wissenschaft wird die These kontrovers diskutiert. Neue Zahlen des Instituts für Arbeitsmarktforschung sprechen eher dagegen.

Corona und Sorgearbeit: Doch keine Retraditionalisierung?

Sorgt die Pandemie für einen gesellschaftlichen Rückfall in die 50er Jahre? Oder trägt sie im Gegenteil zu mehr Gleichberechtigung in der häuslichen Aufgabenteilung bei? Die Forschung ist sich darüber nicht einig. Fest steht, dass nach wie vor die Frauen die Hauptlast der privaten Sorgearbeit schultern. Der Teilzeitanteil ist unter erwerbstätigen Frauen hoch. Besonders Paare mit schulpflichtigen Kindern litten im Frühjahr darunter, Arbeit und Betreuung unter einen Hut bekommen zu müssen. Zwar reduzierten Männer währen der Corona-Zeit ihre Arbeitszeit durchschnittlich etwas mehr als Frauen, zwischen den Geschlechtern bleibt das Ungleichgewicht jedoch groß.

Aktuelle Zahlen des Instituts für Arbeitsmarktforschung (IAB) aus der Online-Befragung „Leben und Erwerbstätigkeit in Zeiten von Corona“ zeigen ein vielschichtiges Bild:

Rund zwei Drittel der befragten Mütter mit Kindern unter 15 Jahren gaben an, sich während der Corona-Zeit überwiegend oder vollständig um die Kinder gekümmert zu haben. Während der des Lockdowns und danach – Befragungszeitraum war der Juni 2020 – veränderte sich das Verhältnis nur wenig zugunsten der Männer. Der Anteil der Frauen, die nach eigenen Angaben überwiegendend die Kinderbetreuung übernahmen, sank von 66 auf 63 Prozent.

Im Detail zeigen sich Unterschiede. Betrachtet man die Gruppe der Paare, die angaben, ihre Kinder vor der Pandemie gleichberechtigt betreut zu haben, steckten die Mütter nach ihren Angaben während der Corona-Zeit zurück. 32 Prozent der Mütter sagten, sie kümmerten sich nun überwiegend um die Kinder. 16 Prozent der Frauen gaben an, dass der Partner überwiegend die Betreuung übernommen habe. Die Mehrheit der Männer in dieser Konstellation (69 Prozent) sagten, dass sie sich auch während der Pandemie gleichberechtigt um die Kinder kümmern würden.

Frauen, die nach ihren Angaben während der Corona-Zeit zu gleichen Teilen mit dem Partner die Kinder betreuten, profitierten hingegen von einem größeren Engagement ihrer Partner. 40 Prozent von Ihnen gaben an, weniger in die Kinderbetreuung involviert zu sein als vor der Pandemie.

Dem beruflichen Arbeitsumfang kommt eine große Bedeutung zu. Mütter, die gar nicht oder nur in geringem Umfang berufstätig sind, übernehmen die Hauptlast der Kinderbetreuung. Arbeiten die Partner in Vollzeit, werden die Betreuungsaufgaben deutlich gleichberechtigter aufgeteilt.

Das IAB erhebt auch Daten zu anderen Bereichen der privaten Aufgabenverteilung. Sie belegen, dass vieles unverändert entlang der Klischeevorstellungen zwischen den Geschlechtern verteilt bleibt: Während der Haushalt eine weibliche Domäne ist, liegen Reparaturen ganz überwiegend in Männerhand. Daran kann auch Corona bisher nicht rütteln.