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17.02.2020

Substitutionsprozesse und Geschlecht

Mit der Digitalisierung verändern sich berufliche Tätigkeiten. Teilweise werden sie durch technische Innovationen ersetzt. Aufgrund der geschlechtsspezifischen Struktur des Arbeitsmarkts stellt sich die Frage, in welchem Maße männlich und weiblich konnotierte Berufe durch Substitution bedroht sind.

Eine Kehrmaschine mit einer Person fährt durch ein Einkaufszentrum und reinigt den Fußboden

Im aktuellen Digitalisierungsdiskurs bleiben Geschlechtsunterschiede häufig unberücksichtigt und Forschungen fokussieren tendenziell auf männlich konnotierte Berufe. Dies führt zwangsläufig zu einer einseitigen und „männlichen“ Interpretation von Digitalisierungseffekten.

Empirische Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass Frauen die Effekte der Digitalisierung tendenziell negativer bewerten als Männer und unterschiedliche Bedürfnisse und Sorgen äußern. Dies erfordert eine geschlechtersensible Analyse von Digitalisierungseffekten, die Marco Seegers, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in seinem Beitrag „Substitutionsrisiko und Weiterbildungsverhalten im digitalen Wandel – Welche geschlechtsspezifischen Unterschiede gibt es?“ vornimmt.

Für Seegers Analyse sind folgende Fragen von Bedeutung: Sind sogenannte Männer-, Frauen- und Mischberufe unterschiedlich durch Substitution bedroht? Welche Tätigkeitsanteile begünstigen das Substitutionsrisiko? Und in welchem Ausmaß wird je Berufsgruppe auf berufliche Weiterbildung zurückgegriffen?

Im Ergebnis zeigt sich ein geschlechtsspezifisches Substitutionsrisiko zuungunsten männlich dominierter Berufe. Zwar sind weibliche dominierte Berufe ebenfalls bedroht, jedoch nicht in dem Ausmaß und der Breite wie männlich konnotierte Berufe. Besonders herauszuheben ist, dass Erwerbstätige in stark bedrohten Frauenberufen durchschnittlich einen fast doppelt so hohen Weiterbildungsumfang aufweisen wie Erwerbstätige in männlich dominierten Berufen.

In den betrachteten Berufen, die mehrheitlich von Männern bzw. Frauen ausgeübt werden, konzentriert sich das Substitutionsrisiko tendenziell auf einzelne Berufsbereiche, während sich das Risiko in den Mischberufen, die das geringste Substitutionsrisiko aufweisen, über diverse Berufsgruppen und in geringerem Ausmaß verteilt.

Die Analyse sieht angesichts des hohen Weiterbildungsumfangs Erwerbstätiger in weiblich konnotierten Berufen die Chance zur inhaltlichen sowie finanziellen Aufwertung „typisch“ weiblicher Arbeit und ebenso die Möglichkeit, die rigide Geschlechtersegregation des deutschen Arbeitsmarkts in Teilen zu öffnen und zu durchmischen.

Die Analyse plädiert bei der Organisation und Umsetzung von Weiterbildungsmaßnahmen, die geschlechtsspezifischen Lebensumstände (beispielsweise Arbeitszeitmodelle, Verfügbarkeit von Kinderbetreuung, Möglichkeit zur räumlichen Mobilität) zu berücksichtigen, um egalitäre Teilnahmemöglichkeiten zu schaffen.