14.11.2018
Von Frau zu Frau
Mit Botschafterinnen mehr weibliche Azubis für die Metall- und Elektrobranche gewinnen
Mit dem Projekt „girlsatec – Junge Frauen erobern technische Berufe“ setzt sich das ABB Ausbildungszentrum Berlin für klischeefreie Berufsorientierung ein. Projektleiterin Selma Tabak-Balks stellt im Interview die Zielgruppen und Erfolge vor – und welche wichtige Rolle die „girlsatec-Botschafterinnen“ dabei spielen.
Frau Tabak-Balks, bitte stellen Sie sich und das ABB Ausbildungszentrum Berlin kurz vor.
Die ABB Ausbildungszentrum Berlin gGmbH (AZB), eine Tochter der ABB AG mit Sitz in Mannheim, ist ein Ausbildungsbetrieb für den ABB Konzern sowie ein Bildungsdienstleister mit 65-jähriger Erfahrung für rund 150 Unternehmen aus Berlin und Brandenburg. In 24 gewerblich-technischen Berufen bieten wir in Berlin die Verbundausbildung auf der Grundlage eines ABB-Modulsystems für die berufliche Erstausbildung an.
Im Rahmen des externen Ausbildungsmanagements unterstützt und begleitet das AZB die Unternehmen bei dem Gesamtprozess von der Auswahl der Bewerber und Bewerberinnen bis hin zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfung.
Derzeit sind über 800 Auszubildende in der beruflichen Ausbildung beim AZB.
Was hat Sie motiviert, sich in der Initiative Klischeefrei zu engagieren?
Beim Rundgang durch unser Haus wird eines deutlich: Zwischen den vielen männlichen Auszubildenden in einigen Berufsgruppen findet sich immer noch nur ab und an eine junge Frau.
In Gesprächen mit Ausbilderinnen, Ausbildern, Unternehmen und Auszubildenden wird jedoch immer wieder deutlich, dass Frauen für das Berufsfeld der Metall- und Elektrobranche besonders geeignet sind. Ist es die Wirkung auf Teams, strukturiertes und genaues Arbeiten, eine ehrgeizige Einstellung zum Lernen oder besondere Fähigkeiten in der Feinmotorik – mit unseren weiblichen Auszubildenden haben wir gute Erfahrungen gesammelt und das möchten wir verbreiten und natürlich unsere Ausbildungshallen mit weiteren jungen motivierten Auszubildenden füllen. Dafür setzt sich das gesamte Ausbildungszentrum ein, aber es reicht nicht aus.
Um unserem Ziel – die typischen Berufe-Klischees aufzubrechen und mehr Frauen in die gewerblich-technische Berufe zu bringen – nahe zu kommen, haben wir uns der Initiative angeschlossen. Wir sind der Meinung, dass wir gemeinsam mehr erreichen können. Wir freuen uns auf die Expertise und Empfehlungen der Kooperation, aber gleichzeitig bieten wir auch unsere Erfahrungen und Best Practices an.
Zudem sind wir der Meinung, dass wir bereits viel machen und dies soll sichtbarer werden.
Auf welche Weise setzen Sie sich für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?
Unser Projekt „girlsatec – Junge Frauen erobern technische Berufe“, welches vom Land Berlin gefördert wird, ist auf ganz unterschiedlichen Ebenen in der geschlechtersensiblen Berufs- und Studienorientierung aktiv. Wir möchten nicht nur direkt die jungen Frauen erreichen, sondern alle Akteurinnen und Akteure, die in der Phase der beruflichen Orientierung von jungen Menschen eine besondere Bedeutung haben, ansprechen. Mit unseren Angeboten richten wir uns daher an verschiedene Zielgruppen:
Lehrkräfte: Bei Schulklassenbesuchen, auf Fachlehrer*innenkonferenzen und in unserer Lehrer*innenwerkstatt informieren wir pädagogische Fachkräfte unter anderem über die Möglichkeiten und Vorteile einer dualen Ausbildung im gewerblich-technischen Bereich und heben Klischees von dreckigen Arbeitsplätzen und schwerer körperlicher Arbeit auf.
Eltern: Auf Elternabenden, Berufsmessen und zum Tag der offenen Tür informieren wir unter anderem über 24 gewerblich-technische Berufe, die in unserem ABB Ausbildungszentrum ausgebildet werden, und die oft noch unbekannt sind und als typisch „männlich“ gelten. Zudem geben wir Auskunft über die Einstiegsgehälter unterschiedlicher Berufsfelder.
Unternehmen: Während den Betriebsbesichtigungen im Rahmen des Technik Camps, auf unserem bevorstehendem „girlsatec day“ am 29.11.2018 und auf weiteren Veranstaltungen können sich Unternehmen vorstellen und in direkten Austausch mit Schüler*innen gehen. „girlsatec“ schafft Raum zum Kennenlernen und für Dialog.
Schülerinnen und Schüler: Auf Messen, zum Girls‘Day, im Technik Camp, in Technik-AGs, bei Betriebsrundgängen, Löt-Workshops, Schulbesuchen und auf Schulfesten und anderen Veranstaltungen haben Schülerinnen die direkte Möglichkeit sich praktisch-technisch auszuprobieren, mit unseren „girlsatec“-Botschafterinnen zu sprechen und sich von junger Frau zu junger Frau über die Vorteile des Berufsfeldes auszutauschen.
Die tragende Säule bei der der Kontaktaufnahme und Ansprache von all diesen Personengruppen und allgemein bei gesamten Projekt sind unsere „girlsatec“-Botschafterinnen. Wir sind davon überzeugt, dass es jungen Frauen oft an weiblichen Vorbildern im Bereich der Metall- und Elektrobranche fehlt. Unserer „girlsatec“-Botschafterinnen sind selbst Auszubildende oder ausgelernte Fachkräfte in der Metall- und Elektrobrache und wollen diese Vorbilder für Schülerinnen sein.
Berichte von positiven Erfahrungen oder Entscheidungshilfen sollen anderen jungen Frauen die Entscheidungsmöglichkeit bieten, die auch unsere Botschafterinnen selbst hatten sowie die Klischees über die „Frauen (nicht) in der Technik“ aufbrechen. Sie sind überzeugt von ihrer Berufswahlentscheidung und möchten diese Begeisterung an andere weitergeben.
Welche Erfolge haben Sie bisher mit Ihrer Arbeit erreicht?
Als Erfolge sehen wir jede Schülerin und junge Frau, die im Rahmen unserer Angebote die Möglichkeit bekommt über den Tellerrand zu blicken und einen uneingeschränkten und von Klischees befreiten Berufswahlentscheid treffen kann.
Besondere Erfolge sehen wir natürlich in unseren Botschafterinnen, die teilweise einen recht ungeradlinigen Weg auf sich genommen haben, aber nun umso dankbarer und glücklicher in ihrem technischen Beruf sind, sodass sie diese Begeisterung an andere junge Frauen weitergeben möchten und sich sogar in ihrer Freizeit dafür engagiert einsetzen.
Auf unserer Website gibt es die Möglichkeit, unsere Botschafterinnen genauer kennenzulernen und mehr über ihre Berufswahl, Entscheidungen, Zweifel, Herausforderungen und Erfolge zu erfahren.
Ein weiterer großer Erfolg ist, wenn Schülerinnen nach einem Betriebsrundgang oder Girls‘ Day auch gleich Teilnehmerinnen des nächsten Technik Camps sind. Genauso ist es, wenn wir Teilnehmerinnen der Technik Camps oder aus den Löt-AGs ein oder zwei Jahre später bei der Ausbildungsjahreseröffnung als neue Auszubildende im Ausbildungszentrum sehen oder von anderen Teilnehmerinnen erfahren, dass sie sich für einen gewerblich-technischen Beruf entschieden haben.