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10.11.2025

„Jedem Kind die Freiheit geben, eigene Wege zu finden“

Begabungen sichtbar machen und fördern – das ist der Ansatz der Klischeefrei-Partnerorganisation Aarikon GeniusKind. Für Schulen und andere Bildungseinrichtungen gibt es dabei mehrere verschiedene Formen von Kooperationsmöglichkeiten. Dr. Ekaterina Morgenthaler stellt diese und den dahinterliegenden Ansatz im Interview vor.

„Jedem Kind die Freiheit geben, eigene Wege zu finden“

Wie ist die Idee zu Aarikon GeniusKind entstanden, und was war der ursprüngliche Impuls hinter Ihrer Arbeit?

Die Idee zu Aarikon GeniusKind entstand aus der Beobachtung, dass viele Kinder weit über das hinausdenken, was Schule oder Kita ihnen zutrauen – und dass diese Begabungen oft unerkannt bleiben, weil sie nicht in traditionelle Leistungsbilder passen. Ich wollte einen Ort schaffen, an dem Denken, Fühlen und Handeln gleichermaßen zählen. Aarikon GeniusKind ist aus meiner Forschung, meiner Lehrtätigkeit und meiner Arbeit mit Familien gewachsen – als Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis.

Was bedeutet für Sie persönlich „klischeefrei“ in der Bildung und Talentförderung von Kindern?

Klischeefrei bedeutet für mich, Potenziale nicht durch Erwartungen zu begrenzen. Begabung kennt kein Geschlecht, keine soziale Herkunft und kein festes Rollenbild. Klischeefrei zu fördern heißt, Kinder wirklich zu sehen – mit ihren Interessen, Denkweisen und Eigenheiten. Es bedeutet, jedem Kind die Freiheit zu geben, eigene Wege zu finden – ob in Mathematik, Kunst, Technik oder Sprache.

Ihr Ansatz lautet, Kinder in ihrer Individualität zu stärken – unabhängig von Geschlecht oder Rollenbildern. Wie setzen Sie diesen Anspruch konkret im Alltag Ihrer Projekte um?

In unseren Kursen arbeiten wir mit einem interdisziplinären Konzept, das vier Förderbereiche verbindet: Logik, Motorik, Sprache und Kreativität. Jedes Kind durchläuft Aufgaben aus allen Bereichen – unabhängig davon, ob sie „typisch männlich“ oder „typisch weiblich“ gelten. Dadurch entstehen neue Erfahrungsräume: Mädchen entdecken Freude an Technik und logischem Denken, Jungen entfalten sprachliche und kreative Ausdruckskraft. Wir sprechen nicht über Gleichstellung – wir leben sie in der Struktur unserer Lernangebote.

Welche Rolle spielt die Entdeckung und Förderung von Begabungen bei der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern?

Begabungsförderung ist Persönlichkeitsförderung. Wenn Kinder erleben, dass ihr Denken, ihre Ideen und ihr Tempo anerkannt werden, entwickeln sie Selbstvertrauen und innere Stabilität. Eine geförderte Begabung ist nicht nur eine Fähigkeit - sie ist ein Weg zur Selbstwirksamkeit. Kinder, die verstehen, wie sie lernen und denken, können Herausforderungen selbstbewusst annehmen.

Wie gelingt es Ihnen, Stereotype in MINT- oder Kreativfächern aufzubrechen, ohne diese Themen zu überfrachten oder belehrend zu wirken?

Wir vermeiden moralische Appelle und arbeiten stattdessen erlebnisorientiert. Wenn ein Mädchen im Technikprojekt eine funktionierende Brücke konstruiert oder ein Junge ein poetisches Hörspiel schreibt, geschieht der Perspektivwechsel ganz selbstverständlich. Entscheidend ist, dass Kinder sich in unterschiedlichen Rollen erleben dürfen. Wir gestalten Lernumgebungen, die inspirieren – nicht, die belehren.

Wie reagieren Eltern und Lehrkräfte auf Ihr Konzept – insbesondere, wenn traditionelle Vorstellungen von „typischen Jungen- oder Mädcheninteressen“ hinterfragt werden?

Anfangs gibt es manchmal Erstaunen, später fast immer Begeisterung. Viele Eltern sagen: „Ich wusste gar nicht, dass mein Kind das kann.“ Lehrkräfte berichten, dass Kinder nach unseren Kursen konzentrierter, selbstständiger und ausgeglichener arbeiten. Wir erleben eine große Offenheit – sobald sichtbar wird, dass unsere Arbeit nicht ideologisch, sondern entwicklungspsychologisch fundiert ist.

Welche Veränderungen beobachten Sie bei Kindern, die an Ihren Kursen oder Workshops teilnehmen?

Kinder gewinnen Mut, eigenständig zu denken. Sie werden neugieriger, lösungsorientierter und sozial sensibler. Wir beobachten oft, dass sie sich stärker zutrauen, Fragen zu stellen, Verantwortung zu übernehmen und auch Unbekanntes mit Interesse zu erkunden. Viele Eltern berichten, dass sich ihr Kind nach kurzer Zeit „mehr wie es selbst“ fühlt.

Wie kann man als Schule, Kita oder Bildungsträger mit Aarikon GeniusKind zusammenarbeiten?

Wir bieten verschiedene Formen der Kooperation: von Projekttagen und Denkwerkstätten über langfristige Förderprogramme bis hin zu Schulungen für pädagogische Fachkräfte. Dabei qualifizieren wir Einrichtungen auch für eine Zertifizierung als begabungsfördernde Bildungseinrichtung. Ziel ist, dass Begabungsförderung strukturell verankert wird – nicht als Zusatz, sondern als Haltung.

Was sind Ihre nächsten Projekte oder Visionen für die kommenden Jahre?

Wir bauen aktuell das Zentrum Aarikon GeniusKind als bundesweites Netzwerk aus. Parallel entsteht die Aarikon Akademie zur Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte sowie das mobile Programm AarikonMobil, das Begabtenförderung auch in ländliche Regionen bringt. Langfristig wollen wir die individuelle Förderung jedes Kindes selbstverständlich machen – unabhängig vom Wohnort oder Bildungshintergrund.

Wenn Sie einem Kind nur eine Botschaft mitgeben könnten, um es auf seinem Weg zu bestärken – welche wäre das?

Du kannst mehr, als du glaubst: denn Klugsein bedeutet nicht, alles zu wissen, sondern wissen zu wollen.

Klischeefrei bedeutet für mich, Potenziale nicht durch Erwartungen zu begrenzen. Begabung kennt kein Geschlecht, keine soziale Herkunft und kein festes Rollenbild. Klischeefrei zu fördern heißt, Kinder wirklich zu sehen – mit ihren Interessen, Denkweisen und Eigenheiten. Es bedeutet, jedem Kind die Freiheit zu geben, eigene Wege zu finden – ob in Mathematik, Kunst, Technik oder Sprache.

Dr. Ekaterina Morgenthaler, Gründerin und Vorstandsvorsitzende Bundesverband Aarikon GeniusKind e. V.