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22.07.2025

„Geschlecht ist kein Berufsetikett!“

Für das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft (BWHW) ist geschlechtergerechtes Arbeiten kein Zusatz, sondern integraler Bestandteil professioneller pädagogischer Haltung. Was das konkret bedeutet, erklärt Referentin und Konzeptentwicklerin Amelie Bernshausen.

 „Geschlecht ist kein Berufsetikett!“

Was macht Ihre Bildungsphilosophie aus?

Wir glauben an das Potenzial junger Menschen – unabhängig von Herkunft, Bildungsbiografie oder Geschlecht. Unsere Bildungsphilosophie verbindet berufliche Orientierung mit individueller Förderung: Wir begleiten junge Menschen auf ihrem Weg in Ausbildung oder Arbeit, immer entlang ihrer Stärken, Interessen und Lebenslagen. Dabei verstehen wir Bildung nicht als reine Wissensvermittlung, sondern als gemeinsamen Prozess, durch den wir Selbstwirksamkeit stärken und Teilhabe ermöglichen.

Geschlechtergerechtes Arbeiten ist für uns kein Zusatz, sondern integraler Bestandteil professioneller pädagogischer Haltung: Es bedeutet, Möglichkeitsräume zu eröffnen statt Lebenswege vorzuzeichnen.

Welche Menschen kommen zu Ihnen – und weshalb ist es wichtig, diese frei von Geschlechterklischees zu beraten und zu begleiten?

Zu uns kommen junge Menschen am Übergang zwischen Schule und Beruf, viele mit erschwerten Startbedingungen – sei es durch einen fehlenden Schulabschluss, durch Flucht- und Migrationserfahrungen oder strukturelle Benachteiligung. Gerade für diese Zielgruppe wirken sich Geschlechterklischees oft besonders einschränkend aus.

Wenn die berufliche Orientierung für Mädchen und junge Frauen auf soziale Berufe beschränkt wird oder Jungen bzw. junge Männer früh beigebracht bekommen, dass diese „nichts für sie seien“, dann ist das kein Zufall, sondern ein strukturelles Muster.

Unsere Aufgabe ist es, junge Menschen ernst zu nehmen, sie zu ermutigen, eigene Wege zu gehen – und ihnen zu zeigen, dass ihr Geschlecht kein Berufsetikett ist.

Was könnten andere Bildungswerke in Bezug auf Klischeefreiheit von Ihnen lernen?

Wir behandeln Klischeefreiheit als Teil professioneller Praxis. In unseren Konzepten zur beruflichen Integration ist Geschlechterreflexion fest verankert – zum Beispiel in der individuellen Berufsorientierung und Förderplanung.

Unsere Erfahrung zeigt: Klischeefreiheit gelingt dann, wenn sie konsequent mitgedacht und praktisch umgesetzt wird – nicht als Zusatz, sondern als Haltung.

Wenn Sie sich eine Arbeitswelt frei von Geschlechterklischees vorstellen – wie sähe diese aus?

In einer klischeefreien Arbeitswelt entscheiden Menschen auf Grundlage ihrer Interessen, Talente und Lebensziele – nicht auf Basis dessen, was „typisch Mann“ oder „typisch Frau“ ist. Sie wäre durchlässiger: für vielfältige Lebensentwürfe, diverse Teams und gleichere Aufteilung von Karriere und Care.

Und sie wäre gerechter: weil Berufswahlfreiheit nicht mehr vom Geschlecht abhängt, weil Erwerbs- und Sorgearbeit fair verteilt sind – und weil Respekt, Teilhabe und Entwicklung für alle möglich sind.

„Klischeefrei bedeutet für uns, dass junge Menschen ihren eigenen Weg gehen – nicht den, den alte Rollenmuster für sie vorzeichnen.“

Amelie Bernshausen, Referentin und Konzeptentwicklerin BWHW