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19.03.2024

„Eine Arbeitswelt ohne Geschlechterklischees ist bunt“

Die Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW) in Aachen und Umgebung ist ein gemeinnütziger Bildungsträger, der in seiner Arbeit möglichst klischeefrei agieren möchte. Im Interview erklärt, Jasmin Seidel, Koordinatorin Jugendbereich Aachen, die Hintergründe.

„Eine Arbeitswelt ohne Geschlechterklischees ist bunt“
Jasmin Seidel, Koordinatorin Jugendbereich Aachen

Frau Seidel, können Sie uns die FAW kurz vorstellen?

Die FAW in Aachen und Umgebung ist ein gemeinnütziger Bildungsträger, der Maßnahmen für Jugendliche und Erwachsene anbietet. Unser Ziel ist es, für und mit jedem Menschen eine geeignete berufliche Teilhabemöglichkeit zu finden. Dabei sehen wir einen ausführlichen beruflichen Orientierungsprozess als entscheidenden Faktor für eine erfolgreiche Integration in Ausbildung und Arbeit.

Welchen Beitrag leisten Sie als Weiterbildungsakademie zu einer Arbeitswelt frei von Klischees bzw. was planen Sie?

Wir leisten einen Beitrag, indem wir in unseren Coachings auf Interessen, Fähigkeiten und Praxiserfahrungen als Basis für den Berufswahlprozess setzen. Wir berücksichtigen, dass auch die Erziehungsberechtigten, Familie und Freunde großen Einfluss und auch Druck auf die Berufswahlentscheidung unserer Teilnehmenden haben. Wir ermutigen und unterstützen sie aber dabei, Ihre eigenen Berufswünsche herauszufinden und mit uns zu teilen.

Indem wir Offenheit fördern, erzielen wir, dass Jugendliche Praktika in Berufen absolvieren, die sie sich ohne unser Zutun nicht getrau hätten, auszuprobieren. Darüber hinaus wollen wir unsere Mitarbeitenden mithilfe der klischeefrei-Angebote noch weiter für die Thematik sensibilisieren.

Wir planen auch in unseren Gruppenangeboten für die Teilnehmenden Einheiten und Diskussionen zum Thema Geschlechterklischees in der Berufswahl einzubinden, sich mit dem Thema neben der vielen unbewussten Beeinflussung einmal bewusst auseinander zu setzen. Unser Ziel ist es, dass unsere Teilnehmenden hierüber auch ihre eigene (aktuelle) Berufswahl reflektieren.

Wo sind Ihnen in Ihrer Arbeit schon Geschlechterklischees begegnet?

Wir sehen in unserer Arbeit entsprechend der bestehenden Geschlechterklischees zu 99 Prozent männliche Teilnehmer, die eine Ausbildung im Handwerk machen wollen. Oft wenn ich regionale Plakate für die Suche nach Auszubildenden im Handwerk sehe, fällt mir auf, dass immer noch viele Betriebe nur die männliche Form der Berufsbezeichnung angeben („Wir suchen Kfz-Mechatroniker“). Für mich gilt der Leitsatz „Sprache schafft Wirklichkeit“, weshalb ich mich freuen würde, wenn in Gesuchen zur Abwechslung auch mal explizit die weibliche Form des Berufs benannt würde.

Eine Arbeits-Welt ohne Geschlechterklischees – wie sähe die für Sie aus?

Eine Arbeits-Welt ohne Geschlechterklischees stelle ich mir bunt vor. Ich glaube, dass in einer solchen Welt dem „Geschlecht“ an sich keine mehr so große Bedeutung zugemessen wird. Kinder werden in Büchern und Fernsehen neben Vorbildern wie „Bob, dem Baumeister“ selbstverständlich auch Figuren wie „Emilia die Elektronikerin“ angeboten. Geschlechterspezifizierte Berufsbezeichnungen wie „Krankenschwester“ sind aus dem Sprachgebrauch verschwunden. Erziehungsberechtigte lenken ihre Kinder nicht in eine berufliche Richtung, sondern regen zum Ausprobieren verschiedener Berufe an.

Den Fokus bei der Berufswahl legen Jugendliche auf ihre Interessen und Fähigkeiten, weil Geschlecht weder explizit noch implizit ein Gewicht in der Berufswahl hat. Unternehmen setzen in Ihren Einstellungen und Teambesetzungen auf Vielfalt anstatt auf Uniformität. Auch Arbeitszeiten sind in einer Arbeitswelt ohne Geschlechterklischees allgemein flexibler, wodurch Erziehende unabhängig von ihrem Geschlecht Berufsleben und Familie besser vereinbaren können.

Meine Vision: Den Fokus bei der Berufswahl legen Jugendliche auf ihre Interessen und Fähigkeiten, weil Geschlecht weder explizit noch implizit ein Gewicht in der Berufswahl hat.

Jasmin Seidel, Koordinatorin Jugendbereich Aachen