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28.04.2025

Geflüchtete Frauen für die Berufsausbildung gewinnen

Aktuelle Studie zu Faktoren für den Übergang in die Berufsausbildung

Bei der Integration in das deutsche Berufsbildungssystem lag der Fokus bislang auf geflüchteten jungen Männern. Doch was ist mit den jungen Frauen? Dieser Frage geht eine Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg nach – und kommt zu einem überraschenden Ergebnis.

Geflüchtete Frauen für die Berufsausbildung gewinnen

Zwischen 2015 und 2019 beantragten fast 600.000 Frauen in Deutschland Asyl. Die meisten von ihnen stammten aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und dem Iran. Über ein Drittel war im ausbildungsfähigen Alter. 67 Prozent der geflüchteten Frauen im erwerbsfähigen Alter gaben an, in Deutschland eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss erwerben zu wollen.

Eine Berufsausbildung gilt als Schlüssel zur Integration. Doch nur sehr wenige geflüchtete Frauen beginnen tatsächlich eine Ausbildung. Was hindert sie daran, ihren Wunsch in die Tat umzusetzen? Liegt es an traditionellen Rollenbildern, einem niedrigen Bildungsniveau – oder ist der soziale Kontext ausschlaggebend? Bisher wurde dazu nur wenig geforscht.

Die Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg untersuchte die Rolle von Geschlechternormen beim Übergang in die Berufsausbildung. Dabei wurden folgende Faktoren berücksichtigt: die eigenen Einstellungen der Frauen zu Geschlechterrollen, das Vorhandensein von Kindern oder eines Partners sowie die Häufigkeit von Kontakten zu Menschen aus dem Herkunftsland. Zudem wurde der Bildungshintergrund der Frauen analysiert – also Bildungsniveau und im Herkunftsland erworbene Berufserfahrungen.

Zentrale Ergebnisse der Studie

  • Nur 9 Prozent der befragten Frauen begannen zwischen 2016 und 2020 eine Berufsausbildung.
  • Weder die Einstellung zu Geschlechterrollen, noch das Vorhandensein von Kindern oder häufige Kontakte zu Menschen aus dem Herkunftsland hatten einen signifikanten Einfluss auf den Übergang in eine Ausbildung.
  • Zwar kamen viele geflüchtete Frauen mit eher niedrigen Bildungsabschlüssen und wenig Berufserfahrung in ihren Herkunftsländern nach Deutschland – dies stellte jedoch kein wesentliches Hindernis für ihre Integration in das deutsche Berufsbildungssystem dar, das als sehr offen gilt auch für Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen.
  • Der einzige signifikante Einflussfaktor war das Vorhandensein eines Partners: Geflüchtete Frauen mit Partner hatten eine um rund 60 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit, eine Ausbildung zu beginnen, als geflüchtete Frauen ohne Partner.

Diese Ergebnisse werfen neue Fragen auf

Der starke negative Zusammenhang zwischen dem Beziehungsstatus der Frauen und ihren Ausbildungschancen könnte darauf hindeuten, dass Partner sozialen Druck auf die Frauen ausüben, sich an traditionellen Geschlechterrollen zu halten. Die eigenen Einstellungen der Frauen treten dadurch möglicherweise in den Hintergrund. Denkbar ist jedoch laut Studie auch, dass die verwendeten Items zur Erfassung von Geschlechternormen zu abstrakt gewesen sein könnten, um die tatsächlichen Lebensstilpräferenzen der Frauen abzubilden. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf.

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass die Partnerschaft ein entscheidender Faktor für die Ausbildungsentscheidungen geflüchteter Frauen sein kann – deutlich stärker als das Vorhandensein von Kindern, das bislang in vielen Studien im Fokus stand. Die Rolle des Partners sollte daher stärker in zukünftige Erklärungsmodelle einbezogen werden. Auch sollte erforscht werden, wie der negative Einfluss von Partnerschaften auf die Ausbildungschancen reduziert werden kann.

Als ermutigend wird das Ergebnis gewertet, dass niedrige Bildungsabschlüsse und geringe Berufserfahrung im Herkunftsland keine gravierenden Hürden für den Einstieg in das deutsche Berufsbildungssystem darstellen. Aufbauend auf dieser Erkenntnis könnten zukünftige Studien untersuchen, inwieweit – und vor allem welche – Investitionen in berufsbildungspolitische Maßnahmen die Integration geflüchteter Frauen fördern können.

Maßnahmen zur Unterstützung geflüchteter Frauen

Die Studienautorin Franziska Meyer formuliert verschiedene handlungspolitische Ansätze, geflüchtete Frauen bei der Integration in das Berufsbildungssystem zu unterstützen:

  • Durchführung von Berufsorientierungs- und Fördermaßnahmen für geflüchtete Frauen, die den Einfluss kultureller Unterschiede in Bezug auf Partnerschaft und Rollenverteilung berücksichtigen.
  • Aufbau von Mentoring-Programmen, die Frauen mit Mitgliedern aus der Mehrheitsbevölkerung zusammenbringen und ihnen alternative Lebensentwürfe aufzeigen.
  • Berücksichtigung der Partnerschaft als relevanten Einflussfaktor in der individuellen Beratung, da sie einen bedeutenden Einfluss auf die Bildungsentscheidungen der Frauen haben kann.

Quelle: Franziska Meyer: Refugee Women’s Transition to VET in Germany: Examining the Role of Gender Norms and Human Capital Endowments. Institut für Soziologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. 2025.  Social Inclusion 2025,  Volume 13,  Article 9559

Zur Studie in der Klischeefrei-Infothek

Franziska Meyer | Institut für Soziologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: Refugee Women’s Transition to VET in Germany: Examining the Role of Gender Norms and Human Capital Endowments