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„Für jeden Studiengang ist es ein Gewinn, wenn das Verhältnis der Geschlechter möglichst ausgeglichen ist“

Die TU Dresden engagiert sich seit langem für eine gendersensible Studienorientierung und die Verringerung von Unterrepräsentanz in Studiengängen. Dr. Sylvi Bianchin, Referentin für Diversity Management, spricht im Interview über die Gründe und Erfolge.

„Für jeden Studiengang ist es ein Gewinn, wenn das Verhältnis der Geschlechter möglichst ausgeglichen ist“

Frau Bianchin, können Sie die TU Dresden kurz vorstellen?

Die TUD ist eine der größten Technischen Universitäten in Deutschland, mit 17 Fakultäten in fünf Bereichen offeriert sie ein weitgefächertes Angebot aus 124 Studiengängen und deckt ein breites Forschungs-Spektrum ab. Ihre Schwerpunkte sind Biomedizin und Bioengineering, Materialwissenschaften, Informationstechnik und Mikroelektronik, Energie und Umwelt sowie Kultur und gesellschaftlicher Wandel. Seit 2012 gehört die TUD zu den elf deutschen Exzellenz-Universitäten. An der TUD sind rund 32.000 Studierende immatrikuliert und rund 8.300 Beschäftigte tätig.

Was hat Sie motiviert, der Initiative Klischeefrei beizutreten?

Die TU Dresden engagiert sich seit langem für eine gendersensible Studienorientierung und die Verringerung von Unterrepräsentanz in Studiengängen. Für jeden Studiengang ist es ein Gewinn, wenn das Verhältnis der Geschlechter möglichst ausgeglichen ist. Dabei lag der Fokus in den letzten Jahren vor allem auf der Gewinnung von Frauen für ein MINT-Studium. Künftig wollen wir auch auf die Studiengänge sehen, die bisher überwiegend von jungen Frauen präferiert wurden, und mehr Studenten anziehen. Die Initiative Klischeefrei bietet ein ausgezeichnetes Netzwerk mit zahlreichen Kooperationseinrichtungen. Gern wollen wir zusammen Maßnahmen umsetzen und von anderen lernen, um gemeinsam die geschlechtersensible Studien- und Berufsorientierung weiter voranzutreiben.

Auf welche Weise setzen Sie sich für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?

Maßnahmen zur Vermeidung von Unterrepräsentanz eines Geschlechts nehmen einen zentralen Stellenwert an der TUD ein (siehe Gleichstellungskonzepte der TUD 2009, 2014, 2018). Die Entscheidung für ein Studium ist eine wichtige Weichenstellung für die eigene Zukunft. Daher gibt es an der TUD zahlreiche Möglichkeiten und Projekte, um sich bereits vor dem Studium mit dem vielfältigen Studienangebot vertraut zu machen. Ein besonderes Ziel der TUD ist es, junge Frauen über ihre Studienmöglichkeiten zu informieren und sie zur Aufnahme eines Studiums in einem technischen oder naturwissenschaftlichen Bereich an der TUD zu motivieren und sie darüber hinaus auch während des Studiums zu unterstützen. Dabei wird berücksichtigt, dass die Orientierungs- und Entscheidungsphase der zukünftigen Studentinnen bereits im Kindergartenalter beginnt und sich bis zu einem erfolgreichen Berufseinstieg erstreckt. Bei den zahlreichen Projekten zur Erhöhung des Frauenanteils in den MINT-Studiengängen werden besonders die zentralen Herausforderungen adressiert, wie die Sichtbarmachung weiblicher Vorbilder, Informationen über zukünftige Studieninhalte, Bereitstellung von Praxiserfahrungen und Kenntnissen über mögliche Anwendungsgebiete der MINT-Fächer im „echten Leben“.

Mit der Einrichtung einer zentralen Koordinationsstelle für MINT-Projekte (seit 2020 – Koordinationsstelle gendersensible Studierendengewinnung) innerhalb des Sachgebiets Diversity Management im Jahr 2012 wurde eine zentrale Struktur geschaffen, welche die strategische Steuerung, Vernetzung sowie die Öffentlichkeitsarbeit der einzelnen Projekte bündelt, begleitet und unterstützt. Entlang der gesamten Bildungskette (Lebensphasen) wird damit sowohl eine geschlechtersensible Ausgestaltung von Projekten als auch die Entwicklung neuer Projektideen gewährleistet. Um zielgruppenspezifische Studienorientierungsangebote zu konzipieren, ist die Berücksichtigung unterschiedlicher Bedarfe unerlässlich. Dabei stellt die Kategorie „Geschlecht“ ein wichtiges und unverzichtbares Qualitätsmerkmal bei der Planung, Entwicklung, Durchführung und Evaluation von Maßnahmen dar. Um geschlechtergerechte Maßnahmen erfolgreich umsetzen zu können, müssen alle an der Durchführung Beteiligten für dieses Thema sensibilisiert und gleichzeitig gesellschaftlich geprägte Rollenklischees thematisiert und hinterfragt werden.

Die Koordinationsstelle arbeitet eng mit pädagogischen Fachkräften, Lehrenden, Schulen, Einrichtungen der Jugendarbeit der Stadt Dresden, Partner:innen aus außeruniversitären Forschungseinrichtungen – insbesondere den Mitgliedern des DRESDEN-concept – sowie der Wirtschaft und lokalen Wirtschaftsverbänden zusammen. Damit gelingt es, Projekte bedarfsorientiert und mit hoher Innovationskraft gemeinsam (weiter)zu entwickeln.

Da die Studienorientierung nach wie vor geschlechtsspezifischen Mustern unterliegt und MINT-Studiengänge oft mit Männlichkeit assoziiert werden, ist die Durchführung von mono-edukativen Maßnahmen ein zentraler Baustein der Studienorientierung im MINT-Bereich. Erfolgreich etablierte Maßnahmen im Rahmen der Studienorientierung an der TUD sind:

  • Sommeruniversität
  • Mathe- und Informatikcamp
  • Check MINT – Mentoring für Schülerinnen
  • Taffe Frauen in MINT-Studiengängen
  • Mutter-Tochter-Workshop
  • WOMEN MINT-Slam
  • Girls‘Day/Boys‘Day
  • Mädchenexperimentiercamp Physik
  • MINT-Botschafterinnen / GSW-Botschafter

Welche Erfolge haben Sie bisher mit Ihrer Arbeit erreicht?

Die Akzeptanz von Maßnahmen zur geschlechtersensiblen Studierendengewinnung und die Sensibilisierung für dieses Thema bei der Konzeption und Umsetzung von Projekten an der TU Dresden am Übergang Schule-Hochschule hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht.

Es lässt sich auch resümieren, dass zunehmend mehr Mädchen und junge Frauen an den Angeboten und Projekten im MINT-Bereich an der TUD teilnehmen und die Zahl der Studentinnen in MINT-Studiengängen leicht steigt. Die direkte Wirkung der Maßnahmen zur Gewinnung von Studienanfängerinnen im MINT-Bereich auf den tatsächlichen Anteil der Studienanfängerinnen in MINT-Studiengängen ist jedoch nicht kohärent abbildbar und durch die TUD nur bedingt beeinflussbar. Die Studienorientierung beginnt bereits im Kindergartenalter, einer Lebensphase außerhalb des Einflussbereiches der Hochschule. Von zentraler Bedeutung wird es folglich sein, dass alle Bildungseinrichtungen entlang der Bildungskette ihren Beitrag zur Erreichung des Zieles einer geschlechtersensiblen Studien- und Berufsorientierung leisten.