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06.03.2018

„Die Berufswahlentscheidung hat Auswirkungen auf das gesamte Leben“

Gerechtigkeit und Chancengleichheit für Frauen, die im ländlichen Raum zuhause sind – das hat sich der Deutsche LandFrauenverband e.V. (dlv) auf die Fahnen geschrieben. Präsidentin Brigitte Scherb erklärt im Interview mit der Klischeefrei-Redaktion, wie das mit Berufswahl zusammenhängt.

Brigitte Scherb, Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes

Frau Scherb, können Sie Ihre Organisation kurz vorstellen?

Der Deutsche LandFrauenverband e.V. (dlv) ist der bundesweit größte Verband für Frauen, die auf dem Lande leben, und deren Familien. Unser Ziel heißt mehr Gerechtigkeit und Chancengleichheit für Frauen, die im ländlichen Raum zuhause sind. Dies beinhaltet die Wahrnehmung und Anerkennung der Leistungen und gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Beruf und Familie, in Gesellschaft und Politik, in Bildung, Wirtschaft und Kultur.

Der dlv vertritt die politischen Interessen aller Frauen in ländlichen Regionen und den Berufsstand der Bäuerinnen. 500.000 Mitglieder, 12.000 Ortsvereine, 22 Landesverbände bilden zusammen ein starkes Netzwerk. Der Verband nutzt seine gesellschaftliche Kraft, um die soziale, wirtschaftliche und rechtliche Situation der Frauen zu verbessern.

Was hat Sie motiviert, sich in der Initiative Klischeefrei zu engagieren?

Die Berufs- und Studienwahl ist noch immer stark von Geschlechterklischees geprägt und die Entscheidung für eine bestimmte Branche hat Auswirkungen auf das gesamte Leben. Wir setzen uns schon lange in diesem Bereich ein und wissen, wie folgenreich die Berufswahl besonders für Frauen sein kann.

Deshalb fordern wir gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit. Warum verdient beispielsweise die Pflegerin weniger als der Kfz-Mechaniker, wo doch für beide Berufe ähnlicher Körpereinsatz gefragt ist? Warum ist die Arbeit am Menschen weniger wert?

Wenn sich junge Frauen beispielsweise für einen sozialen Beruf entscheiden und nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung nur noch in Teilzeit arbeiten, hat das häufig dramatische Folgen für ihre Alterssicherung.

Das Risiko von Altersarmut ist bei Frauen deutlich höher als bei Männern. Um dieses Risiko zu minimieren, müssen wir uns die Frage stellen: welchen Beruf ergreife ich und was bedeutet das für mein Leben? Für solche bewussten Entscheidungen braucht es aber Aufklärung – „Klischeefrei“ setzt genau hier an. Deshalb unterstützt der Deutsche LandFrauenverband die Ziele der Initiative für eine Berufs- und Studienwahl frei von Geschlechterklischees.

Auf welche Weise setzt sich der LandFrauenverband für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?

Wir bilden dieses Jahr bereits in zweiter Projektauflage „Equal Pay Beraterinnen“ aus, um über die Lohnlücke im ländlichen Raum zu informieren. Denn Frauen verdienen auch heute noch unglaubliche 21 Prozent weniger als Männer. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.

Die Equal-Pay-Beraterinnen sensibilisieren regional für eine aktive Berufs- und Studienwahl und schärfen den Blick, wenn es um die Erwerbs- und Ausbildungsentscheidungen von Frauen und Mädchen geht. Die 22 Equal-Pay-Beraterinnen, die vom dlv qualifiziert worden sind, können in diversen Bundesländern als Referentinnen gebucht werden und informieren dann auf Veranstaltungen, in Workshops oder Beratungen. Beim Girls‘Day oder Boys‘Day gehen einige Beraterinnen in Schulen und leisten Aufklärungsarbeit bei den Jüngsten.

Welche Erfolge haben Sie bereits mit Ihrem Engagement erreichen können?

Die LandFrauen engagieren sich nun bereits seit 120 Jahren für Chancengleichheit – auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichsten Bereichen. Mit der von uns initiierten Studie „Mädchenbilder – Handwerksrollen: Images und geschlechtergerechte Ansprache in ländlichen Räumen“ (2014) konnten wir verdeutlichen, wie traditionelle Rollenbilder wirken. Ein besonderer Fokus lag dabei auf der Wirkkraft von Bildern und Kampagnen zur Anwerbung potentieller Bewerberinnen. Unsere Equal-Pay-Beraterinnen tragen diese Erkenntnisse als Multiplikatorinnen in die Fläche.