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Forum 1: Frühe Bildung und Geschlecht

Moderation: Jannes Boekhoff (Koordinationsstelle Chance Quereinstieg/Männer in Kitas)

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„Was ist gute gendersensible Praxis in der Frühen Bildung?“

Mit dieser Frage stieg Jens Krabel von der Koordinationsstelle Chance Quereinstieg/Männer in Kitas und fachlicher Leiter des Forums in das Thema ein. Seine Thesen untermauerte Krabel mit Beispielen aus der Praxis. Ein bewusster Umgang mit dem Thema „Geschlecht“ sei in Ausbildungslehrplänen und Bildungsprogrammen als Querschnittsthema sowie als normativer Anspruch strukturell verankert, so Krabel. Allerdings würden die Lehrpläne und Bildungsprogramme widersprüchlich interpretiert. Aufgrund der unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten von „geschlechtergerechter“ Praxis sei aus den Lehrplänen und Bildungsprogrammen nur bedingt konkrete Praxis ableitbar.

Hinzu komme, dass jede Kita ihre eigene Praxis brauche, so Krabel. Es gibt also nicht die „eine Methode“, nicht die eine, für alle gültige konkrete Handlungsanleitung, sondern es sind unterschiedliche Ansätze notwendig. Wichtige Kernkompetenzen sind u.a. die Fähigkeit, die „Genderbrille“ jederzeit auf- und absetzen zu können sowie ein hohes Maß an Selbstreflexion („Was spiele ich für eine Rolle?“).

Mehr Männer in Kitas

Den ersten von drei Impulsen aus der Praxis gaben Petra Meißner und Melanie Seifert von der Kinderwege gGmbH, einem Träger der freien Jugendhilfe aus Lübeck. Der Trägerverbund hat am Modellprogramm „Mehr Männer in Kitas“ teilgenommen und konnte so seinen Männeranteil auf 23 Prozent steigern. Dies wurde durch verschiedene Maßnahmen bzw. Strategien erreicht. Im anschließenden Folgeprojekt „Quereinstieg“ zeigte sich ebenfalls der Erfolg der Maßnahmen: im ersten Jahr waren 18 von 25 Auszubildenden männlich.

Die Teilnehmenden diskutierten in diesem Zusammenhang den oftmals bestehenden Generalverdacht gegen Männer, der dazu führt, dass sich weniger Männer für Erzieher- und Lehrberufe entscheiden. Die Runde war sich einig darin, dass die Antwort darauf in einer möglichst großen Transparenz sowohl gegenüber den Eltern als auch innerhalb des Teams besteht.

Auch kam die Frage nach dem „Machtbereich“ der Frauen auf, der durch mehr Männer in der Frühen Bildung als gefährdet empfunden werden könnte. Petra Meißner und Melanie Seifert berichteten von Teams mit Abwehrhaltung. Es zeigte sich, dass es eine der größten Herausforderungen im Bereich der Frühen Bildung ist, Haltungen zu ändern.

„Du bist, was du tust“

Im zweiten Praxisbeispiel stellte Kathrin Thomas den Kindergarten „Die Wühlmäuse“ aus dem hessischen Bad Zwesten vor, dessen Leiterin Thomas ist. Das Credo des Kindergartens, der als „Haus der kleinen Forscher“ ausgezeichnet und auch Partner der Initiative Klischeefrei ist, lautet: „Du bist, was du tust.“ Demzufolge können Kinder sehr viele Dinge selbst ausprobieren und Erfahrungen sammeln über „Dinge selber tun“. Der Name „Wühlmause“ ist entsprechend dieses Ansatzes tägliches Programm, so gibt es beispielsweise regelmäßige Forschungs- und Entdeckungsreisen. Für den Erfolg sei dabei Vertrauen das Wichtigste, so Thomas. Die Arbeitsweise zeichnet sich durch offene Räume für alle, einen authentischen Umgang mit Kindern und Eltern sowie eine Vorbildfunktion der Fachkräfte aus.

Gendersensible Praxis in der Frühen Bildung

Im dritten Praxisbeispiel stellten Angelika Hoppe und Daniel Klaus den Sophienkindergarten vor. Der Berliner Kindergarten nimmt am Modellprojekt „Chancengleichheit und Vielfalt: Mehr Männer in Kitas“ teil.
In sechs Gruppen werden 83 Kinder von 12 Erzieherinnen und 3 Erziehern betreut. Als wichtig für geschlechtersensible Praxis in der Frühen Bildung haben sich dabei folgende Punkte gezeigt:

  • Beobachtung und Akzeptanz von individueller Verschiedenheit, die als Reichtum und Ressource gesehen werden sollte.
  • Die Unterschiede zwischen den Individuen sind größer als jene zwischen den Gruppen Mädchen/Jungen.
  • Mehr als ein Erzieher in einer Einrichtung führt dazu, dass „Mann“ nicht stellvertretend für alle Männer stehen muss.
  • Anlässe, um über Geschlechterrollen zu sprechen, ergeben sich aus dem Umgang mit geschlechterbewusster Literatur bzw. geschlechterbewussten Medien (durch das Modellprojekt wurden Erzieherinnen und Erzieher sensibilisiert, Material stärker zu hinterfragen bzw. rechtzeitig zu intervenieren).
  • Es sollte auf geschlechtersensible Sprache geachtet werden.
  • Räume sollten auf Geschlechtersensibilität in Bezug auf Ausstattung und Material überprüft werden.
    Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden über die eigene konsequente Haltung mit auf den Weg genommen.

Fazit

Moderator Jannes Boekhoff fasste das Forum mit dem Fazit zusammen, dass Zeit für Austausch innerhalb der „Frühen Bildung“ ebenso unabdingbar ist wie allgemeine bessere Rahmenbedingungen, um geschlechtersensible Erziehung zu ermöglichen. Als zentrale Ergebnisse des Forums hielten Boekhoff und Krabel zwei Punkte fest: Haltung schlägt Methode. Und: Beim Thema „Männer in Kitas“ ist eine machtkritische Diskussion notwendig.