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06.12.2018

„Unsere Wirtschaft ist mehr denn je darauf angewiesen, die Potenziale aller Menschen auszuschöpfen“

Das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) ist neuer Partner der Initiative Klischeefrei und wird von einer weiblichen Doppelspitze geführt: Susanne Kretschmer und Dr. Iris Pfeiffer verantworten gemeinsam die Arbeit des Instituts. Im Interview stellen sie die Forschungseinrichtung und ihren Einsatz für klischeefreie Berufswahl vor.

Porträt der Geschäftsführung des Forschungsinstitutsj Betriebliche Bildung, der neuen Partnerin der Initiative Klischeefrei: Dr. Iris Pfeiffer und Susanne Kretschmer
Dr. Iris Pfeiffer und Susanne Kretschmer – die Geschäftsführerinnen des Forschungsinstituts Betriebliche Bildung

Frau Kretschmer, bitte stellen Sie sich und das f-bb kurz vor.

Das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) arbeitet im Bereich der anwendungsorientierten Berufsbildungsforschung und besteht seit 2003. Gemeinsam mit meiner Kollegin Dr. Iris Pfeiffer leite ich das Institut. Wir sind mit derzeit etwa 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an fünf Standorten eine der großen außeruniversitären Einrichtungen der Berufsbildungsforschung in Deutschland. Im Auftrag von Politik, Verwaltung, Unternehmen und Verbänden führen wir empirische Erhebungen, Expertisen und Gestaltungsprojekte durch, begleiten Projekte und Programme wissenschaftlich und tragen so zu Innovationen in der Berufsbildung bei. 

Was hat Sie motiviert, sich in der Initiative Klischeefrei zu engagieren?

Am 19. Februar 1919 sprach erstmals eine Frau in einem demokratisch gewählten Parlament in Deutschland. Heute, also 100 Jahre nach diesem historischen Ereignis, sind Frauen in hohen politischen und wirtschaftlichen Positionen leider immer noch die Ausnahme. Eher selten üben sie verantwortliche Funktionen im naturwissenschaftlich-technischen Bereich aus. Die Gründe dafür liegen unter anderem in Berufswahlentscheidungen. So streben noch immer zu wenige Frauen eine technische oder naturwissenschaftliche Laufbahn oder eine Führungsfunktion an.

Dabei ist unsere Wirtschaft mehr denn je darauf angewiesen, die Potenziale aller Menschen auszuschöpfen. Nur wenn ein Bewusstseinswandel gelingt und alte Klischees aufgebrochen werden, lässt sich unser Wohlstand und unsere lebenswerte Gesellschaft erhalten. Eine Gesellschaft, in der sich alle verwirklichen können und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe Alltag ist. Mit der Mitgliedschaft bei der Initiative Klischeefrei wollen wir nicht nur ein Zeichen setzen – wir wollen auch unser Engagement in diesem Bereich erhöhen.

Frau Dr. Pfeiffer, auf welche Weise setzen Sie sich für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?

Zunächst leben wir Gleichstellung im eigenen Alltag. Unsere Geschäftsführung besteht aus zwei Frauen, der Frauenanteil bei unseren Führungskräften beträgt über 60 Prozent. Im Wissenschaftsbetrieb ist das immer noch keine Selbstverständlichkeit. Als berufstätige Mütter in Leitungsfunktion ist uns durch eigene Erfahrung bewusst, wie schwierig Familie und Beruf manchmal unter einen Hut zu bekommen sind. Gerade darum und weil wir der Meinung sind, dass die Arbeitswelt sich hier noch viel stärker bewegen muss, bieten wir jungen Müttern und Vätern am Institut flexible Arbeitsbedingungen und Karrierewege.

Das Ziel, das Berufswahlspektrum durch eine bewusste Reflexion des geschlechtsspezifischen Berufswahlverhaltens zu erweitern, ist auch Gegenstand unserer Projektarbeit. Ein Beispiel ist der Zukunftstag für Jungen und Mädchen des Landes Brandenburg, den wir wiederholt betreut haben. Damit und mit vielen anderen Projekten, bei denen die Stärkung der Kompetenzen bereits berufstätiger Frauen im Mittelpunkt steht, leisten wir Beiträge über den eigenen Betrieb hinaus.

Welche Erfolge haben Sie bisher mit Ihrer Arbeit erreicht?

Aus unseren Projekten sind eine Vielzahl von Publikationen rund um das Thema Gleichstellung und Frauenförderung entstanden. Hinzu kommen einige zusammen mit Unternehmen entwickelte Instrumente, bspw. zur Steigerung des Frauenanteils in technischen Berufen oder zur Qualifizierung von Frauen mit dem Ziel einer Übernahme von Führungsfunktionen.

Ein gelungenes konkretes Beispiel sind die Förderprogramme „weiter bilden“ – hier hatte das f-bb die Regiestelle inne – und „gleichstellen“: Von 2009 bis 2014 wurden 207 Projekte zum Aufbau von Personalentwicklungsstrukturen in Unternehmen und 125 Projekte zur Verbesserung der Beschäftigungssituation von Frauen in der Wirtschaft durchgeführt.

Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) sowie dem Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderte Anschlussprogramm „Fachkräfte sichern: weiter bilden und Gleichstellung fördern“, dessen Regiestelle das f-bb aktuell in Kooperation mit dem DGB Bildungswerk Bund e.V. betreibt, fördert die Schaffung nachhaltiger Weiterbildungsstrukturen in Unternehmen (insbesondere in KMU). Die Erhöhung der Aufstiegs- und Karrierechancen von Frauen in Unternehmen und die Verbesserung ihrer Erwerbsbeteiligung stehen hier im Fokus.