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14.06.2019

Studie: unterstellter Kinderwunsch führt zu Benachteiligung bei Bewerbungen

Auch Männer erleben Diskriminierung in vornehmlich weiblich besetzten Berufsfeldern

Eine Studie des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) zeigt: Arbeitgeber diskriminieren Bewerberinnen aufgrund eines unterstellten Kinderwunsches. Und: Bewerber haben es in den untersuchten Berufsfeldern noch schwerer als Frauen.

Mann spielt mit Kleinkind auf einem Teppich

Mütter und zunehmend auch Väter wollen Kindererziehung und Berufstätigkeit gut unter einen Hut bringen. Wie verhalten sich Arbeitgeber, wenn in Bewerbungsunterlagen Kinder erwähnt werden? Ein Forscherteam des IZA hat in einer groß angelegten Studie den Erfolg von Bewerbungen für Frauen und Männer mit und ohne Kinder in Deutschland, Österreich und der Schweiz untersucht. Dafür wurden rund 9.000 fiktive Bewerbungen auf Stellen in den drei Ländern verschickt, darunter sowohl Teilzeit- als auch Vollzeitstellen. Um auszuschließen, dass Frauen von vorne herein gegenüber „echten“ Bewerbungen von Männern benachteiligt würden, haben sich die Forscherinnen und Forscher des IZA für die frauenfreundlichen Berufe („female-friendly professions“) im Sekretariat und in der Buchhaltung entschieden.

Die Auswertung für Teilzeitstellen zeigt eine deutliche Ungleichbehandlung der Bewerberinnen. Am häufigsten (27 Prozent) erhielten Frauen mit älteren Kindern eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Hier unterstellen Arbeitgeber offensichtlich, dass keine weitere Schwangerschaft zu erwarten sei und die Kinder außerdem nicht mehr so häufig krank würden. Wurden jüngere Kinder angegeben, erhielten nur 20 Prozent der Frauen eine Einladung. Die geringste Rückmeldung auf eine Bewerbung auf eine Teilzeitstelle bekamen mit 13 Prozent kinderlose verheiratete Frauen. Arbeitgebern erscheint bei dieser Gruppe das „Risiko“ am höchsten zu sein, dass die Frau später wegen einer Schwangerschaft ausfallen könnte. Single-Frauen ohne Kinder wurden dagegen häufiger eingeladen (knapp 19 Prozent). Alle „Bewerberinnen“, ob mit oder ohne Kinder, waren etwa gleich alt.

Im Gegensatz zu den Frauen haben Männer kaum eine Chance auf eine Teilzeitstelle in Sekretariat oder Buchhaltung. Im Schnitt nur 7 Prozent erhielten eine Einladung. Die Autorinnen und Autoren der Studie vermuten auch hier das Fortwirken von Geschlechterklischees: Männern wird eine Teilzeittätigkeit (oder die Betreuung von Kindern), zudem in einem weiblich besetzten Berufsfeld, offensichtlich nicht zugetraut.

Ein anderes Bild ergibt sich bei den Vollzeitstellen. Hier wurden Frauen mit kleinen Kindern mit 24 Prozent am häufigsten eingeladen, sofern sie in ihren Unterlagen angegeben hatten, die Familienplanung sei abgeschlossen. Fehlte diese Anmerkung, erhielten nur noch knapp 17 Prozent eine Einladung. Am zweiterfolgreichsten waren Single-Frauen ohne Kinder mit 20 Prozent. Die Forscherinnen und Forscher vermuten, dass Arbeitgeber davon ausgehen, dass die Kinderbetreuung geregelt ist, wenn sich jemand auf eine volle Stelle bewirbt.

Nur etwas mehr als 11 Prozent der Männer wurden zu einem Bewerbungsgespräch auf eine Vollzeitstelle eingeladen. Immerhin fast 17 Prozent der potenziellen Buchhalter erhielten eine Rückmeldung auf eine Bewerbung. Jedoch nur 7 Prozent der Bewerber auf eine Sekretariatsstelle hätten die Chance auf ein Gespräch bekommen. Väter von älteren Kindern (gut 13 Prozent) waren erfolgreicher als verheiratete Männer ohne Kinder (knapp 10 Prozent) oder Single-Männer (12 Prozent). Das Fortwirken von Rollenklischees scheint auch hier offensichtlich. Verheiratete Männer ohne Kinder wurden in der Studie quasi doppelt benachteiligt, einmal wegen ihres Geschlechts, aber anscheinend auch wegen eines unterstellten Kinderwunsches.