BP:
 

02.09.2019

Geschlechterrollen in Bedarfsgemeinschaften

Geschlechterrollenaufteilungen innerhalb einer Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft wirken sich auf die Beratung und Vermittlung im Jobcenter aus. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Eine Hand im gelben Handschuh hält ein paar Euromünzen. Im Hintergrund sind unscharf Putzutensilien zu erkennen.

Die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern in Bedarfsgemeinschaften setzt den Rahmen für die individuelle Vermittlungsberatung von Jobcentern. Das geht aus dem IAB-Kurzbericht 14/2019 „Bei individueller Beratung und Vermittlung behalten Jobcenter auch den Haushalt im Blick“ hervor.

In der Vermittlungsberatung überschneiden sich zwei Dimensionen, so der Bericht. Arbeitssuchende hätten zum einen aufgrund persönlicher Merkmale, wie Alter oder Bildung, unterschiedlich gute Chancen, erfolgreich eine Stelle zu finden. Zum anderen unterscheiden sich Haushalte danach, wie die Arbeit zwischen den Geschlechtern aufgeteilt ist. Dem Modell des männlichen Haupternährers steht das Modell der individuellen Erwerbstätigkeit gegenüber.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Vermittlungfachkräfte Frauen und Männer grundsätzlich in gleicher Weise behandeln. Allerdings sehen sie eine weniger intensive Beratung für Frauen als angemessen an, wenn ein betreuungsbedürftiges Kind in der Bedarfsgemeinschaft lebt. Warum das so ist, lässt sich der Analyse nicht entnehmen.

Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern gibt Rahmen vor

Die Befunde der Fallstudien in sechs Jobcentern ergeben, dass die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern der Vermittlungsberatung einen Rahmen vorgibt und die Vermittlungsfachkräfte auf die Situation in einer Bedarfsgemeinschaft reagieren.

Im Kurzbericht heißt es dazu: „Stoßen die Vermittlungsfachkräfte in Bedarfsgemeinschaften auf das Modell des männlichen Haupternährers, dann versuchen sie teilweise, auf das Modell der individuellen Erwerbstätigkeit hinzuwirken. Ein solches Hinwirken ergibt sich aus der Zielsetzung des SGB II, die erwerbsfähigen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft zu aktivieren und so die Hilfebedürftigkeit der gesamten Bedarfsgemeinschaft zu überwinden.“

Die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern innerhalb des Haushalts spielt dann in Beratungs- und Vermittlungsgesprächen insofern eine Rolle, als sie für den Weg in den Arbeitsmarkt von Bedeutung ist. Beispielsweise wenn es darum geht, dass sich der Mann stärker mit um die Kinder kümmert, um der Frau die Aufnahme einer Erwerbsarbeit zu ermöglichen.

Rollenmuster nur bedingt aufbrechbar

Einige Vermittlungsfachkräfte weisen jedoch auf die Schwierigkeit hin, verinnerlichte Rollenverständnisse und dahinterstehende Wertvorstellungen rein durch Überzeugung in Beratungsgesprächen zu verändern. Zudem betrachten es einige Vermittlungsfachkräfte als Übertretung ihres Zuständigkeitsbereichs, wenn sie versuchen würden, normative Einstellungen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zu verändern.

Einen hemmenden Einfluss kann auch das Modell des männlichen Haupternährers auf die Erwerbsintegration von Frauen ausüben. So berichteten Interviewpartner von Paarbeziehungen, in denen der Partner seiner Partnerin ausredet, sich auf vorgeschlagene Stellenangebote zu bewerben, oder in denen der Partner seine eigene Berufsausbildung in den Vordergrund stellt und die Berufsausbildung seiner Partnerin geringschätzt.

Einzelgespräche können Geschlechterrollenverständnis ändern

Vermittlungsfachkräfte wählen gezielt ein Einzelgespräch mit der Frau, wenn sie auf solche Beziehungsmuster treffen. Diese ermöglichen es den Frauen, ihren Berufswunsch und ihre Vorstellung von der angestrebten Arbeit unbeeinflusst zu äußern. Vermittlungsfachkräfte können dann mit Maßnahmen und passenden Vermittlungsvorschlägen helfen.

Wenn persönliche Beziehungen oder ein normatives Geschlechterrollenverständnis aufseiten der Bedarfsgemeinschaft die Arbeitsaufnahme erschweren, können Vermittlungsfachkräfte durch wiederholte Einzelgespräche versuchen, verfestigte Beziehungsmuster aufzubrechen. Dies gelingt in einigen Fällen, in anderen stößt die Vermittlungsberatung aber an ihre Grenzen.

Quelle: IAB-Kurzbericht Nr. 14, 8.8.2019 | Holger Bähr, Andrea Kirchmann, Christin Schafstädt, Khira Sippli, Jochen Späth und Bernhard Boockmannn: Bedarfsgemeinschaften im SGB II. Bei individueller Beratung und Vermittlung behalten Jobcenter auch den Haushalt im Blick. | Herausgeber: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit