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26.11.2019

Frauen in Bauberufen: Noch weit entfernt vom Normalfall

Vor 25 Jahren fiel das Beschäftigungsverbot für Frauen im Bauhauptgewerbe. Die Branche leidet seit Jahren unter Fachkräftemangel, doch haben Maurerinnen oder Betonbauerinnen immer noch einen Exotenstatus auf den Baustellen. Eine Bestandsaufnahme.

Bauarbeiterin auf Baustelle beim Betongießen

Frauen auf dem Bau, sie sind auch 25 Jahre nach Aufhebung des Beschäftigungsverbotes noch eine Seltenheit. Nur 1,5 Prozent der gewerblichen Beschäftigten im Bauhauptgewerbe, also Maurerinnen, Zimmerinnen, Dachdeckerinnen oder Betonbauerinnen, sind Frauen. Der Frauenanteil in den Ausbauberufen (zum Beispiel Elektrikerinnen, Maler- und Lackierinnen oder Anlagenmechanikerinnen für Sanitär, Heizung und Klima) ist mit 3,5 Prozent nur unwesentlich höher (Stand 30. Juni 2018).

Doch es gibt sie, Frauen in der Baubranche: Statt auf dem Bau finden sie sich allerdings eher in den planerischen und gestaltenden Berufen und in der Verwaltung; sie sind Bauzeichnerinnen, Architektinnen oder Bauingenieurinnen. Knapp ein Drittel der Planerinnen und Planer oder Architektinnen und Architekten sind Frauen. Je höher das Qualifizierungsniveau und die Komplexität der Aufgaben, desto größer ist in der Baubranche der Frauenanteil. Dennoch ist auch hier noch viel Luft nach oben.

Dass sich an den Verhältnissen auf absehbare Zeit kaum etwas ändern wird, zeigen die Zahlen der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge. Mit Ausnahme der Bauzeichnerinnen und Bauzeichner, zwischen denen das Verhältnis mit einem Frauenanteil von 48,5 Prozent fast ausgeglichen ist, bleiben Frauen eine kleine Minderheit. So begannen 2018 nur 151 junge Frauen eine Ausbildung zur Maurerin. Ihnen gegenüber stehen 3.660 angehende Maurer. Das entspricht einem Frauenanteil von 1,1 Prozent in einem der Top-30-Berufe. Dabei braucht die Branche die Frauen. Aktuell sind rund 144.000 Stellen unbesetzt. Wer zu Hause an- oder umbauen will, muss unter Umständen Monate auf einen Handwerker oder eine Handwerkerin warten.

Woran liegt das? Fast 120 Jahre Beschäftigungsverbot für Frauen in diesen Berufen haben ihre Spuren hinterlassen. Gefallen ist 1994 nur das Beschäftigungsverbot, nicht aber die damit einhergehenden Rollenbilder und Vorurteile. Sie wirken bis heute nach, insbesondere im Baugewerbe – aber nicht nur. Letztlich führen Rollenklischees dazu, dass Männer stark in technisch-gewerbliche Berufe streben, Frauen dagegen eher in den Dienstleistungssektor. Je einseitiger die Verteilung der Geschlechter in einem Beruf, desto größer ist der Fachkräftemangel. Der „Männerdomäne Baustelle“ stehen auf der anderen Seite die Pflegeberufe gegenüber, eine Frauendomäne, in der ebenfalls händeringend nach qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesucht wird. Handwerksberufe am Bau gelten außerdem als körperlich anstrengend, der Ton als rau und die Arbeitsbedingungen in Wind und Wetter als wenig komfortabel.

Um junge Frauen (und Männer) für gewerbliche Berufe am Bau zu gewinnen, sollten Unternehmen deshalb ihre Haltung kritisch auf Geschlechterklischees überprüfen. Hinzu kommt: Faktoren wie ein gutes Arbeitsklima, Fairness im Miteinander, eine abwechslungsreiche Tätigkeit, Flexibilität in der Arbeitszeit und die Möglichkeit, in Teilzeit Führungsaufgaben wahrzunehmen, sprechen sowohl junge Frauen als auch Männer an. Maschinen erleichtern heute die Arbeit auf der Baustelle, und Bauberufe werden recht gut entlohnt. Es lohnt sich also für Unternehmen und für Frauen gleichermaßen, sich einander anzunähern.

Quellen: siehe „Weitere Informationen“

Das Beschäftigungsverbot für Frauen im Bauhauptgewerbe

Das Beschäftigungsverbot für Frauen am Bau geht auf die Gewerbeordnung von 1878 zurück. Das Verbot war zunächst vor allem eine Arbeitsschutzmaßnahme, die Frauen vor überlangen Arbeitszeiten und schwerer körperlicher Belastung auf Baustellen, aber auch im Bergbau, in Kokereien oder in Ziegeleien schützen sollte. Erst im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurde daraus ein faktisches Beschäftigungsverbot, das in der Arbeitszeitordnung von 1938 festgeschrieben wurde. Ihre Bestimmungen wurden 1955 in Westdeutschland wieder in Kraft gesetzt. In der DDR dagegen durften Frauen Bauberufe ergreifen. Zwar waren auch hier Maurerinnen und Betonbauerinnen selten, aber Frauen fuhren Baumaschinen und lenkten Kräne. Nach der Wiedervereinigung wurde auch in Westdeutschland das bereits seit langem kritisierte Beschäftigungsverbot für Frauen im Bauhauptgewerbe aufgehoben.