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19.12.2019

„Das Ausbildungsmaterial ist geprägt von Klischees und Stereotypen“

Parität in allen Bereichen zu erreichen ist eines der Kernanliegen des Deutschen Juristinnenbundes. Im Interview sprechen Präsidentin Prof. Dr. Maria Wersig und Arbeitsstabs-Vorsitzende Selma Gather über das „Warum“ und „Wie“.

Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e. V.

Frau Prof. Dr. Wersig, könnten Sie den Deutschen Juristinnenbund bitte kurz vorstellen?

Der Deutsche Juristinnenbund e. V. (djb) ist ein Zusammenschluss von Juristinnen, Volks- und Betriebswirtinnen zur Fortentwicklung des Rechts. Er ist unabhängig, überparteilich und überkonfessionell. Jede Frau, die Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften studiert hat oder studiert und an der Durchsetzung der Ziele unseres Verbandes interessiert ist, kann Mitglied werden.

Zentrales Ziel des djb ist die Verwirklichung der Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen. Wir begleiten gesetzgeberische und politische Entwicklungen mit Gleichstellungsbezug kritisch und bringen unsere juristische Expertise konstruktiv ein. Die Fachkommissionen des Verbands arbeiten zu einer Vielzahl juristischer Themenbereiche – darunter Arbeits- und Wirtschaftsrecht, Strafrecht, Sozialrecht und Verfassungsrecht.

Seit der Gründung des Verbandes im Jahr 1948 setzen sich unsere Mitglieder erfolgreich für Gleichberechtigung und Frauenrechte ein und haben viele Errungenschaften in Recht und Gesellschaft in dieser Zeit mit durchgesetzt.

Was hat Sie motiviert, sich bei der Initiative Klischeefrei zu engagieren?

Die Studien- und Berufswahl legt den Grundstein dafür, wer in der Gesellschaft eines Tages Einfluss und Macht hat. Einflussreiche Positionen werden derzeit noch von viel zu vielen (weißen) Männern besetzt. Das muss sich ändern. Parität in allen Bereichen zu erreichen ist eines der Kernanliegen des djb.

Frau Gather, auf welche Weise setzen Sie sich für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?

Der djb setzt sich im Arbeitsstab „Ausbildung und Beruf“ schon seit einigen Jahren für eine diskriminierungs- und stereotypenfreie juristische Ausbildung ein. Die Situation in Jura ist besonders: Seit über zehn Jahren studieren mehr Frauen als Männer Jura und absolvieren mehr Frauen das Staatsexamen.

Auffällig ist aber, dass Frauen statistisch schlechtere Examensnoten bekommen, obwohl sie die besseren Abiturnoten haben. Das Ausbildungsmaterial ist geprägt von Klischees und Stereotypen. Beispielsweise kommen Frauen in den in Jura so zentralen Übungsfällen kaum vor und wenn, dann häufig in stereotypen, abhängigen Rollen. Wir setzen uns dafür ein, dass das Fach Jura nicht nur beim Zugang, sondern auch in der Ausgestaltung inklusiver wird.

Gewisse Geschlechtseffekte sind auch bei der juristischen Berufswahl zu beobachten: Verhältnismäßig viele Frauen entscheiden sich für den Beruf der Richterin oder Staatsanwältin. Dies hat schon dazu geführt, dass mancherorts befürchtet wird, die Justiz büße an Qualität und Ansehen ein – eine entlarvende Annahme. Der größere Anteil an Frauen unter den Absolvierenden führt zudem leider noch nicht dazu, dass sie auch oben auf der juristischen Karriereleiter ankommen. Über 80 Prozent aller juristischen Lehrstühle sind noch mit Männern besetzt.

Unter Partnern und Partnerinnen der führenden Großkanzleien und an den oberen und obersten Gerichten sind Juristinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen ebenfalls signifikant unterrepräsentiert. Es gilt, diese gläserne Decke zu durchbrechen.

Welche Erfolge haben Sie bisher mit Ihrer Arbeit erreicht?

Das Thema stereotype Fallgestaltungen hat es unter anderem dank der Arbeit des djb im vergangenen Jahr in die Presse und auf die Tagesordnungen der Prüfungsämter und einiger Fakultäten geschafft. Einige Universitäten achten nun auf eine geschlechtersensiblere Lehre und auf die Gestaltung ihres Ausbildungsmaterials. Auch die Geschlechtseffekte in der Benotung in den juristischen Staatsexamina beschäftigen die Verwaltung mittlerweile.

Das sind erfreuliche Entwicklungen, die uns motivieren, weiter an dem Thema dran zu bleiben. Juristische Fakultäten oder Initiativen von Studierenden vor Ort, die über das Thema ins Gespräch kommen wollen, können uns jederzeit gern ansprechen.

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