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20.12.2019

Frauenanteil in MINT-Studiengängen: Auf die Berufskultur kommt es an

Beim Frauenanteil in MINT-Studiengängen lohnt es sich, genauer hinzusehen. Das hat jüngst das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) getan. Das Fazit: Der Frauenanteil in den einzelnen MINT-Fächern variiert sehr stark. Entscheidend ist die Arbeitskultur im künftigen Beruf.

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Das Spektrum der so genannten MINT-Fächer ist breit: Zu ihnen gehören neben den „Klassikern“ wie Mathematik, Informatik, Physik oder Maschinenbau auch zahlreiche kombinierte Fächer wie Wirtschaftsingenieurwesen, Umwelttechnik oder Medizinische Informatik. Junge Frauen sind in den einzelnen Fächern sehr unterschiedlich stark vertreten, wie eine Analyse des IAB ergeben hat.

In den klassischen Ingenieurstudiengängen und in der Informatik bilden Männer weiterhin die Mehrheit aller Studierenden. Nur zwischen 8 (Fahrzeugtechnik) und 19 Prozent (Bergbau/Bergtechnik) der Studienanfängerinnen und -anfänger sind Frauen. Daran haben die Bemühungen von Politik und Wirtschaft der vergangenen Jahrzehnte nicht viel geändert.

Naturwissenschaften: die MINT-Frauendomäne

Anders sieht es in den Naturwissenschaften aus. Im Wintersemester 2017/18 waren 51 Prozent der neu eingeschriebenen Studierenden Frauen. Das entspricht dem gesamten Anteil der neu eingeschriebenen Frauen an allen deutschen Hochschulen in diesem Semester. Einen wesentlichen Beitrag dazu leisten die Lehramtsfächer Mathematik, Physik und Chemie. Etwa zwei Drittel der Lehramtsstudierenden sind Frauen. Aber auch in einigen Fächern, die nicht auf das Lehramt abzielen, bilden Frauen die Mehrheit. Dazu gehören beispielsweise Biomedizin (64 Prozent), Druck- und Reproduktionstechnik oder Geoökologie (jeweils über 50 Prozent ), aber auch ingenieurwissenschaftliche Fächer wie Innenarchitektur oder Textil- und Bekleidungstechnik. Bei den beiden Letztgenannten beträgt der Frauenanteil jeweils über 80 Prozent.

Fächerwahl und Berufsaussichten

In der Forschung wird diese Fächerwahl damit erklärt, dass Frauen vor allem von so genannten „weichen Naturwissenschaften“ angezogen würden. Das sind Lehramtsstudiengänge ebenso wie technisch-naturwissenschaftliche Studiengänge mit kreativen oder sozialen Komponenten. Frauen sehen sich in diesen Kombi-Fächern weniger Rollenstereotypen und damit verbundenen Kompetenzerwartungen ausgesetzt und ihre Interessen besser vertreten. Dazu passt, dass Frauen in den klassischen Ingenieurberufen durch eine männliche Berufskultur eher benachteiligt werden. Sie haben geringere Aufstiegschancen als Kollegen und werden häufiger unterhalb ihres Qualifikationsniveaus beschäftigt. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in diesen Berufen durch lange Anwesenheitszeiten und wenig Flexibilität schwieriger.

Um mehr Frauen auch für die klassischen Ingenieurfächer zu begeistern und Chancengerechtigkeit in der Karriereplanung herbeizuführen, müssten die Rahmenbedingungen für die spätere Berufsausübung verbessert werden. Hier sind die Arbeitgeber ebenso gefragt wie auch Hochschulen und Schulen.

Quellen:
IAB-Forum vom 16. Dezember 2019.
Kroll, Stefan: Technikberufe: Nicht immer nur reine Männersache. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis (BWP) Nr. 2/2017.
Solga, Heike; Pfahl, Lisa: Wer mehr Ingenieurinnen will, muss bessere Karrierechancen für Frauen in Technikberufen schaffen. WZB-Brief Bildung 7/2009.