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24.06.2020

Corona: Fachkräfteengpässe in frauendominierten Gesundheitsberufen am größten

Studie benennt „versorgungsrelevante“ Berufe in der Pandemie und drohende Fachkräfteengpässe

Ein neues Gutachten des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) verdeutlicht einmal mehr, dass Berufe, die von einem Geschlecht dominiert werden, eher unter Besetzungsengpässen leiden. 22 der 27 am meisten von Engpässen betroffenen Berufe sind weiblich dominierte Gesundheits- und Pflegeberufe.

Krankenschwester mit Patient auf Intensivstation

Gerade sie standen in den letzten Pandemie-Wochen im Fokus der Öffentlichkeit und galten als besonders „systemrelevant“: Pflegerinnen und Pfleger sowie Ärztinnen und Ärzte. Doch welche pflegerischen und medizinischen Berufe und Qualifikationsniveaus sind besonders gefragt? Welche anderen Branchen sind für das Funktionieren der Gesellschaft unentbehrlich? Und wo werden Fachleute in Pandemie-Zeiten am dringendsten gebraucht? Das beantwortet ein neues Gutachten des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) im Institut der deutschen Wirtschaft.

Das KOFA hat die Branchenlisten der kritischen Infrastrukturen von Bund und Ländern vereinheitlicht und die in der Corona-Zeit für das Funktionieren der Gesellschaft wichtigsten 501 Berufe und Berufsgruppen entlang von „Wertschöpfungsketten“ ermittelt. Diese gehen weit über die Pflegeberufe hinaus und umfassen z.B. auch Berufe in den Bereichen Transport & Verkehr, Instandhaltung, Bildung & Erziehung oder Finanzen & Versicherung. Relevant sind natürlich auch Berufe in der Medizintechnik sowie der Hygieneartikel- und Verpackungsproduktion. So können Patientinnen und Patienten im Krankenhaus nur gut versorgt werden, wenn z.B. Lebensmittel geliefert werden oder die medizinischen Geräte einwandfrei ihren Dienst tun. Das setzt eine funktionierende Produktions- und Dienstleistungskette voraus.

Anhand eines von den Forscherinnen und Forschern entwickelten „Corona-Engpassindex“ und der „Corona-Fachkräftelücke“ definiert die Studie 27 Berufe unterschiedlicher Qualifikationsniveaus von Fachkraft (Ausbildung) bis Experte/Expertin (Master-Abschluss), davon 22 aus dem Gesundheitsbereich, die als besonders von Engpässen betroffen gelten. Demnach besteht während der Pandemie insbesondere ein Bedarf an spezialisierten Pflegekräften, aber auch an Fachärztinnen und -ärzten für Innere Medizin, Pharmazeutisch-technischen Assistenzen oder auch Apothekerinnen und Apothekern. Fachlich qualifiziertes Personal fehlt darüber hinaus in den öffentlichen Verwaltungen, im Lebensmittelverkauf und im Grundschullehramt. Ein großer Teil dieser Berufe war schon vor der Krise von Engpässen bei der Stellenbesetzung betroffen.

Interessant ist: Die allermeisten dieser 27 Berufe werden überwiegend von Frauen ausgeübt und gelten als wenig attraktiv in Bezug auf Arbeitszeiten und/oder Verdienstmöglichkeiten. Die Relevanz ausgerechnet dieser Berufe in der Corona-Krise wurde in den letzten Wochen schon häufig betont. Ebenso wird seit längerem diskutiert, wie diese bisher eher nicht als besonders attraktiv geltenden Berufe aufgewertet werden können. Der sogenannte „Corona-Bonus“ ist ein Ergebnis der Debatte und wurde gleichzeitig als zu kurz gedacht kritisiert.

Langfristig bedarf es sicher eines Umdenkens in der monetären Bewertung und gesellschaftlichen Wertschätzung, wie es bereits seit längerem von mehreren Seiten in Politik, Gewerkschaften und Forschung gefordert wird. Ziel sollte es sein, die Berufe langfristig für Frauen und Männer gleichermaßen attraktiv zu machen. 

In der Studie des KOFA geht es dagegen explizit um kurfristige Handlungsempfehlungen für die Fachkräftesicherung in der aktuellen Pandemie-Zeit. Die Autorinnen und Autoren empfehlen u.a. die Verbesserung der Kinderbetreuung sowie die Vereinheitlichung bestehender Regeln in den Ländern und fordern, Interessierten möglichst unbürokratisch den Wechsel oder Einstieg in einen der gesuchten Berufe zu ermöglichen.