05.12.2025
„Es geht darum, eigene Erfahrungen, Fehler und Hürden zu erleben“
maauwikids ist ein kleines Bücherlabel und schon länger Partnerorganisation der Initiative Klischeefrei. Die Gründerin Hannah Habertag hat nun ein Bullet Journal gestaltet, dass auch der beruflichen Selbstfindung dient.
Frau Habertag, was hat Sie dazu veranlasst, ein kreatives „Bullet Journal“ für Teenager anzubieten?
Ich bin selbst großer Fan von Tagebüchern und verkaufe in meinem kleinen Verlag maauwikids Kreativbücher, Erinnerungsbücher und Tagebücher. Meine Tochter startete vor anderthalb Jahren mit ihrem Bullet Journal, hat begeistert davon berichtet, Seiten gestaltet und mich von dieser Form des Tagebuchschreibens überzeugt: übersichtlich, strukturiert und optisch super hübsch sind diese Bullet Journal. Das will ich auch für maauwikids, habe ich gedacht und nun ist es soweit: Im Dezember 2025 kommt das Bullet Journal von maauwikids „Daily Me“ auf den Markt.
Das besondere an unserem Bullet Journal ist einerseits, dass die Seiten schon vorgestaltet sind, so dass die Teens gleich mit den Einträgen beginnen können. Andererseits gibt es am Ende eines jeden Kapitels eine Kreativaufgabe, die den Jugendlichen verschiedenste Kreativtechniken zeigt und zum Mitmachen animiert.
Wie darf man sich das Buch vorstellen? Was sind die Inhalte und wie funktioniert es?
Ein Bullet Journal ist eine Mischung aus Tagebuch, Kalender, To-do-Liste und Tracking Tool. Entwickelt wurde es 2013 von Ryder Carroll in den USA. Carroll hat eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und hat mit dem Bullet Journal eine Methode entwickelt, seine Aufgaben in kleinere Portionen zu teilen, sehr übersichtlich anzuordnen und so Ruhe in sein Gehirn und auch seinen Alltag zu bringen: Aufgaben, Ereignisse, Pläne werden nach einem bestimmten Schema aufgeschrieben und Gewohnheiten dokumentiert.
Es gibt zum Beispiel Jahresübersichten, Monatsübersichten, Wochenübersichten und Tagesübersichten. Aufgaben kann man so in kleine Häppchen unterteilen und sie wirken nicht mehr so groß und bedrohlich. Statt „Oh Gott, das schaff ich niemals“ wird aus einer Aufgabe dann eine Schritt-für-Schritt-Anleitung mit täglichen kleinen To-dos, die schaffbar sind.
So hat man jederzeit einen visuell sehr ansprechenden Überblick über alles, was zu tun ist und verweilt ein wenig im Augenblick, denn die Einträge werden per Hand mit einem Stift auf Papier geschrieben, was an sich schon ein sehr beruhigender Prozess ist. Für Menschen, die sehr viel um die Ohren haben, kann das Bullet Journal eine super Gedankenstütze und ein toller Helfer im Alltag sein.
Junge Menschen gehen durch eine Selbstfindungsphase. Diese Phase wirkt sich auch auf die Berufsfindung aus. Warum ist es auch mit Blick auf die Berufswahl wichtig, dass Jugendliche herausfinden, wer sie sind und was sie ausmacht?
Genau, Jugendliche müssen sich selbst erstmal finden und herausfinden, was ihnen besonders Spaß macht, wo ihre Talente liegen, wo ihre Schwächen. Welche Elemente aus der Erziehung des Elternhauses sie übernehmen möchten, wo sie sich abkapseln wollen und lieber ihr eigenes Ding machen. Diese Phase ist unheimlich wichtig und es ist auch wichtig, dass die Teens eigene Erfahrungen, Fehler und Hürden erleben, um daran zu wachsen und immer wieder zu entscheiden: was ist MIR wichtig? Was bringt MIR etwas? Wie finde ICH das? Wie will ICH meine Zeit verbringen? Mit welchen Menschen möchte ich mich umgeben? Was will ich später mal machen?
Wenn Kinder und Jugendliche immer wieder die Gelegenheit haben, diese Fragen für sich zu beantworten, können sie auch ein viel selbstbewussteres und selbstbestimmtes Urteil darüber fällen, was sie später mal beruflich machen möchten und was sie langfristig glücklich macht.
Sie sind mit Ihrem Verlag maauwikids Partnerorganisation der Initiative Klischeefrei. Worauf achten Sie bei einem Buchprojekt wie diesem im Hinblick auf Geschlechterklischees?
Alle Bücher in meinem Verlag sind klischeefrei, kunterbunt und kreativ. Wir verwenden wo immer es geht genderneutrale Sprache, alternativ den Gender-Doppelpunkt, so dass sich ALLE Menschen angesprochen fühlen. Alle Bücher sind kunterbunt, denn Farben sind für alle da und repräsentieren für mich auch die Vielfalt in der Gesellschaft. Und alle Bücher haben einen kreativen Ansatz, denn kreative Lösungen sind immer sehr individuell und unterschiedlich und spiegeln auch unsere menschliche Vielfalt wider. In den Illustrationen der Bücher achten wir außerdem auf Diversität und sprachlich sind alle Bücher sehr wertschätzend und positiv, um zu zeigen, dass ALLE Menschen wertvoll sind.
Wenn Sie an ihre eigene Jugend zurückdenken: Was wollten Sie werden? Was machen Sie heute? Und was hätten Sie sich damals an Angeboten oder Rat, egal von welcher Seite, gewünscht?
Ich wollte schon alles mögliche werden: Fotografin, Journalistin, Autorin, Hebamme, Buchhändlerin, Café-Besitzerin „irgendwas mit Englisch“ … aber nach dem Abitur hatte ich überhaupt keine Ahnung, was ich mal werden will.
Tatsächlich haben mir einige Lehrer an meiner Schule durch die negative Grundhaltung uns Jugendlichen gegenüber und die sehr destruktive Benotung den Mut genommen, zum Beispiel Journalistik zu studieren. Mein Deutschlehrer hat höchstens eine drei vergeben und mir damit das Gefühl gegeben, dass ich für einen Beruf rund um die Sprache nicht gemacht sei.
Ich habe dann tatsächlich „irgendwas mit Englisch“ studiert, nämlich Amerikanistik in München und habe anschließend sechs Jahre in den USA gelebt. Wieder zurück in Deutschland habe ich im weitesten Sinn im Verlagsumfeld gearbeitet und mich dann mit maauwikids selbstständig gemacht.
Ich hätte gerne jemanden gehabt, der sich mal wirklich anschaut und sich damit auseinandersetzt, was meine Stärken und meine Schwächen sind, wie mein Charakter ist, wie ich in welchen Situationen arbeite, mich motiviere, am Ball bleibe und wie man die in einem Berufsfeld ausleben oder umsetzen kann. Lehrkräfte, die Jugendliche jeden Tag über viele Jahre begleiten, hätten eigentlich die Zeit und auch die Kontaktpunkte, um genau solche Fragen abzuklopfen und ein Leuchtturm zu sein für die Kids.
Ich finde die Angebote für Jugendliche, auch an den Schulen mit Betriebspraktika, Girls’Day und Boys’Day und Initiativen wie der Initiative Klischeefrei und Co., heute schon sehr viel besser als früher. Ich denke, am eindrucksvollsten ist es immer, wenn man jemanden kennt oder kennenlernt, der einem aus erster Hand erzählt, wie der eigene Lebensweg war. Und dass man nicht immer super geradlinig alles erledigen muss, dass so ein Lebens- und Berufsweg ruhig auch ein paar Kurven und Dellen haben darf. Und dass die schönsten Dinge manchmal genau dann passieren, wenn man sie nicht geplant hat.
