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29.04.2024

Junge Menschen klischeefrei bei der Berufswahl beraten

Fachtag „Klischeefreie Berufsorientierung“

Wie gelingt es, junge Menschen darin zu unterstützen, Berufsperspektiven jenseits von Geschlechterklischees zu entwickeln? Das war eine der Fragen, mit der sich rund 50 Akteur*innen am Übergang Schule-Beruf beim Marburger Fachtag „Klischeefreie Berufsorientierung“ auseinandersetzten.

Junge Menschen klischeefrei bei der Berufswahl beraten

„Der Berufsweg von Jugendlichen ist nach wie vor massiv vom Elternhaus geprägt. Außerdem wird die Entscheidung für einen Berufsweg von Rollen- und Geschlechterbildern beeinflusst, mit denen wir alle aufwachsen. Statt an Geschlechterstereotypen sollten Kinder ihren Berufsweg jedoch anhand ihrer Stärken wählen und danach, was sie begeistert“, so die einleitenden Sätze der Bürgermeisterin Nadine Bernshausen zur Eröffnung der Veranstaltung.

Insgesamt 51 Teilnehmer*innen waren zum Fachtag „Klischeefreie Berufsorientierung – Erkenntnisse, Haltung und Praxisimpulse“ gekommen. Dem Großteil der Anwesenden war gemein, dass sie junge Menschen am Übergang von Schule und Beruf beratend begleiten und zu Seite stehen – zum Beispiel pädagogische Fachkräfte aus Jugendhilfe und Schule oder Berater*innen aus anderen Rechtskreisen wie der Agentur für Arbeit oder dem Kreisjobcenter.

Die Teilnehmenden setzten sich unter anderem damit auseinander, wie junge Menschen im Entdecken ihrer individuellen Potenziale unterstützt werden können, damit sie die Berufswahl nicht von Klischees abhängig machen, sondern sich an ihren Talenten und Interessen orientieren. Organisiert wurde die Veranstaltung vom städtischen Team der Fachstelle Jugendberufshilfe/Jugendhilfe-Schule des Fachbereichs Kinder, Jugend und Familie in Begleitung der Initiative Klischeefrei.

Seit Ende letzten Jahres ist die Universitätsstadt Marburg Partnerorganisation der Initiative Klischeefrei und trägt damit zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter in der Nachhaltigkeits-Strategie der Bundesregierung bei. Konkret geht es um klischeefreie Beratung in der Jugendberufshilfe mit dem Ziel, dass junge Menschen ihre Berufs- und Studienwahl weniger an Geschlechterklischees, dafür mehr an Interessen, Begabungen und Stärken orientieren.

Um klischeefreie Beratung in der Jugendberufshilfe noch stärker zu verankern, finden zum einen Fortbildungen für Fachkräfte statt, zum anderen wurde der Fachtag organisiert. Frauke Kordtomeikel, stellvertretende Leiterin der Servicestelle der Initiative Klischeefrei, stimmte die Tagungsteilnehmer*innen mit ihrem Vortrag „Berufswahl ohne Geschlechterklischees“ auf das Thema ein und führte aus, warum eine klischeefreie Berufsorientierung zentral und wichtig ist.

Im Anschluss zeigte Prof. Dr. Thorsten Bührmann von der Medical School Hamburg anhand des Kernprozesses der Beruflichen Orientierung auf, in welcher Phase digitale Instrumente und Ansätze besonders wirksam sind. Dabei griff er praxisnahe Erfahrungen aus dem „Berufswahlsiegel“-Projekt „Entwicklungswerkstatt Digitale Berufsorientierung (BO)“ auf. Unter Berücksichtigung einer klischeefreien Perspektive stellte er Auswahlkriterien für digitale BO-Instrumente vor. Die Impulse der Referent*innen wurden in anschließenden Foren rege diskutiert und vertieft.

Besonders lebendige Eindrücke zu den Herausforderungen und Fragen von jungen Menschen am Übergang Schule-Beruf steuerten Elif Celebioglu und Catalina Klingelhöfer bei. Die Schülerin Elif Celebioglu präsentierte ihren Film „Farbe bekennen“, den sie unter ihrem Künstlerinnennamen Attila veröffentlicht hat. Catalina Klingelhöfer berichtete über ihren Weg zur Ausbildung als Zimmerin und ihre Motivation für den Einsatz als „Talentscout im Handwerk“, einem Projekt zur Nachwuchsakquise der Kreishandwerkerschaft Marburg-Biedenkopf.

Zum Hintergrund

Die Initiative Klischeefrei ist eine Maßnahme zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter in der Nachhaltigkeits-Strategie der Bundesregierung (Agenda 2030) und wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Der Beitritt ist kostenfrei und geschieht durch die Unterzeichnung einer Vereinbarung. Als Partnerorganisation ist die Universitätsstadt ins Klischeefrei-Netzwerk aufgenommen. Dort sind neben Unternehmen, Bildungsträgern, Hochschulen, Schulen und verschiedenen Behörden auch mehr als 40 Landkreise und Kommunen vertreten. Mit der Unterzeichnung der Vereinbarung hat sich die Stadt Marburg unter anderem verpflichtet, die Ziele der Initiative sowie deren Verbreitung zu unterstützen, Fortbildungsangebote für das Personal zu ermöglichen, damit die Mitarbeitenden einengenden Geschlechterstereotypen bei der Berufs- und Studienwahl reflektiert entgegentreten können, sowie Materialien und Medien im Zuständigkeitsbereich auf ihre geschlechtersensible Aufbereitung und Gestaltung zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten.

Die Maßnahme ‚Gendersensible und klischeefreie Beratung von jungen Frauen am Übergang Schule-Beruf‘ im Dritten Marburger Aktionsplan für die EU-Charta wurde von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen. Die EU-Charta ist die Europäischen Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene. Sie benennt Grundsätze und Ziele für eine Gleichstellungspolitik vor Ort. Die Universitätsstadt Marburg hat die EU-Charta 2014 unterschrieben und macht damit die Grundsätze der EU-Charta zur Grundlage ihres Handelns. Zu den Grundsätzen gehören unter anderem, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern ein Grundrecht ist und die Beseitigung von Geschlechterstereotypen von grundlegender Bedeutung für die Gleichstellung ist. Seit 2017 setzt die Stadt die EU-Charta mit eigenen Aktionsplänen um, die auf Marburg zugeschnitten sind. In diesen Aktionsplänen werden konkrete Handlungsanweisungen und Zuständigkeiten zu ausgewählten Schwerpunktthemen, zusammen mit einem Zeitplan, formuliert. Das Referat für Gleichberechtigung, Vielfalt und Antidiskriminierung erarbeitet die Aktionspläne federführend und unter breiter Beteiligung von Stadtgesellschaft und Stadtverwaltung. Der Dritte Marburger Aktionsplan umfasst 47 Maßnahmen und zwölf Schwerpunkte, die vom Stadtparlament beschlossen wurden. Die Laufzeit ist von 2023 bis 2025.

Der Berufsweg von Jugendlichen ist nach wie vor massiv vom Elternhaus geprägt. Außerdem wird die Entscheidung für einen Berufsweg von Rollen- und Geschlechterbildern beeinflusst, mit denen wir alle aufwachsen. Statt an Geschlechterstereotypen sollten Kinder ihren Berufsweg jedoch anhand ihrer Stärken wählen und danach, was sie begeistert.

Nadine Bernshausen, Bürgermeisterin der Stadt Marburg

Fachtag „Klischeefreie Berufsorientierung“, Stadt Marburg, 23. April 2024