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20.05.2025 | Fachbeitrag | Margit von Kuhlmann, Christiane Helmstedt

Erwerbstätige Mütter mit und ohne Zuwanderungsgeschichte

Mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede?

Mütter stehen häufig zwischen traditionellen Rollenbildern, eigenen Zielen und wirtschaftlichen Zwängen. Die vermeintliche Lösung im Beruf: Teilzeitarbeit. Dieser Beitrag betrachtet die Erwerbsbeteiligung von zugewanderten Müttern. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu nicht Zugewanderten gibt es?

Erwerbstätige Mütter mit und ohne Zuwanderungsgeschichte

Zu Beginn ein paar Zahlen: Etwa ein Drittel der Mütter von Kindern unter 18 Jahren hat eine Zuwanderungsgeschichte. Von ihnen kommen rund 30 Prozent aus einem EU-Land, ein knappes weiteres Drittel aus Asien und 22 Prozent aus einem Staat der ehemaligen Sowjetunion. Die wichtigsten Herkunftsländer sind Polen (rund 10 Prozent), die Türkei (9 Prozent), Kasachstan und Russland (jeweils 8 Prozent) sowie Syrien (7 Prozent).

Wie steht es um die Beteiligung eingewanderter Mütter am Arbeitsmarkt? Dies untersucht eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB). Wichtig für das Verständnis ist: Die Studie bezieht sich ausschließlich auf Mütter, die selbst nach Deutschland eingewandert sind, und lässt hier geborene Mütter, deren Eltern eingewandert sind, außen vor.

Wichtige Ergebnisse lauten:

  • Während fast 85 Prozent der Mütter ohne Migrationshintergrund erwerbstätig sind, sind es bei zugewanderten Müttern nur etwa 56 Prozent. Zudem arbeiten viele zugewanderte Mütter nur wenige Stunden pro Woche.
  • Zugewanderte Mütter sind im Vergleich zu nicht-zugewanderten Müttern häufiger gering qualifiziert (38 Prozent vs. 8 Prozent). Der Bildungsgrad beeinflusst stark, ob und in welchem Umfang sie arbeiten. Je besser ausgebildet, um so eher sind die Mütter auch in höherem Stundenumfang erwerbstätig.
  • Die Motivation zur Auswanderung beeinflusst, wie viel die Mütter in Deutschland arbeiten. Frauen, die selbst entschieden haben, nach Deutschland zu gehen, sind im größeren Umfang erwerbstätig, als Frauen, deren Mann die Wanderungsentscheidung getroffen hat.

Einstellungen zur Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit in Familien

Welche Rollenbilder gibt es in zugewanderten Familien? Die Studie wertet anhand von Daten des „Familiendemografischen Panel“s (FReDA) aus, wie Frauen und Männer in der Gesamtbevölkerung zur Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit stehen. Dazu wurden die bevorzugten Erwerbsmodelle abgefragt und nach Herkunftsregionen sowie nach Frauen und Männern ausgewertet.

Generell bevorzugt eine Mehrheit in allen Gruppen das Zuverdiener-Erwerbsmodell, bei dem der Mann der Hauptverdiener ist und die Frau in Teilzeit arbeitet. Die meisten Frauen und Männer unabhängig von Herkunft und Einwanderungsstatus sprechen sich dafür aus.

Eine Ausnahme bilden jedoch Frauen und Männer, die in Ländern in Süd-, West- und Nordeuropa, Nordamerika und Ozeanien geboren wurden („westliche Länder“). Sie bevorzugen in großer Mehrheit (53 Prozent der Frauen, 42 Prozent der Männer) die gleichberechtigte Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit zwischen Vätern und Müttern, das sogenannte Erwerbs- und Sorge-Modell.

Das klassische Familienernährermodell, bei dem ein Elternteil (meistens der Vater) Alleinversorger ist, findet vor allem bei Männern aus Osteuropa Zustimmung (28 Prozent), nicht jedoch bei Frauen aus diesen Ländern (16 Prozent). Auch Zugewanderte aus Asien und Afrika befürworten dieses Modell zu etwa einem Viertel, hier Frauen und Männer gleichermaßen. Für ostdeutsche Eltern spielt dieses Modell fast keine Rolle. Im Westen sprechen sich immerhin 12 Prozent der Mütter und 14 Prozent der Väter dafür aus.

Umgekehrt können sich vor allem ostdeutsche Eltern das Universale Erwerbstätigen-Modell vorstellen, in dem beide Elternteile voll arbeiten (Mütter: 26 Prozent, Väter 34 Prozent). Ein interessantes Ergebnis der Studie lautet daher: Die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen sind zum Teil größer als die zwischen Nicht-Zugewanderten und Zugewanderten.

Die Grafik zeigt die Ergebnisse der Befragung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zur Aufteilung von Erwerbsarbeit von Eltern mit einem zweijährigen Kind nach Herkunftsregion. Die wichtigsten Ergebnisse sind im Beitrag beschrieben.

Care-Arbeit ist Frauensache – bei Zugewanderten und Nicht-Zugewanderten

Der BiB-Studie nach wenden Mütter mit und ohne Zuwanderungsgeschichte gleichermaßen rund zehn Stunden pro Werktag für Sorgearbeit auf. Am Wochenende verbringen Mütter ohne Zuwanderungsgeschichte sogar 13 Stunden mit Sorgearbeit, die Zugewanderten elf Stunden. Der Hauptteil entfällt bei beiden Gruppen auf die Kinderbetreuung, gefolgt von Haushaltstätigkeiten.

Väter sind in beiden Gruppen weniger engagiert: Mütter verbringen doppelt so viel Zeit mit Care-Arbeit wie Väter, egal ob sie zugewandert sind oder nicht. Bei Paaren, bei denen beide nach Deutschland eingewandert sind, übernehmen die Mütter einen besonders großen Teil der Sorgearbeit. Gründe dafür könnten ein traditionelles Rollenverständnis, aber auch fehlende Kinderbetreuung, schlechte Deutschkenntnisse oder eine geringe Qualifikation der Mütter sein. Dies geht aus den Zahlen nicht eindeutig hervor. Hierzu bedarf es weiterer Forschung.

Abbau von Klischees hilft

Unabhängig von ihrem Geburtsland profitieren Mütter (und Väter!) grundsätzlich von einer guten Kinderbetreuung. Mütter mit Zuwanderungsgeschichte benötigen unter Umständen mehr Unterstützung, um einen passenden Betreuungsplatz zu finden. Dies gilt besonders für Frauen, die schlecht Deutsch sprechen und nur gering qualifiziert sind. Ihre Kinder haben überdurchschnittlich häufig keinen Betreuungsplatz.

Ebenfalls für alle Mütter, egal wo sie geboren wurden, gilt: Der Abbau von Geschlechterklischees unterstützt sie in der Erwerbstätigkeit. Väter sollten motiviert werden, mehr Sorgeverantwortung zu übernehmen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollten auf Gleichbehandlung aller achten, Gesellschaftliche Erwartungen an Mütter („Die Kümmerin“) und Väter („Der Ernährer“) sollten aufgebrochen und die Vielfalt der familiären Lebensmodelle anerkannt werden.

Zugewanderte Mütter benötigen darüber hinaus weitere Unterstützung:

  • Anerkennung von Qualifikationen: Vor allem gut qualifizierte eingewanderte Mütter würden von vereinfachten Verfahren zur Anerkennung ihrer mitgebrachten Berufsabschlüsse profitieren.
  • Sprachförderung: Mütter benötigen Zugang zu Sprachkursen, unabhängig davon, ob sie arbeiten oder nicht.
  • Weiterbildungsmöglichkeiten: Insbesondere gering qualifizierte Mütter sollten Zugang zu Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen erhalten und dazu ermutigt und begleitet werden.

In zugewanderten Müttern sehen die Studienautorinnen großes Potenzial für den deutschen Arbeitsmarkt. Dem stehen einige Hindernisse im Weg: das vielerorts unzureichende Kinderbetreuungsangebot, fehlende oder nicht anerkannte Qualifikationen und nicht zuletzt das gesellschaftlich in eher patriarchalen Kulturen fest verankerte Bild, dass Erziehung und Haushaltsführung vor allem weibliche Tätigkeiten seien.

Und genau da müssen Gesellschaft und Politik ansetzen, um Müttern – ob zugewandert oder nicht – die Teilhabe am Erwerbsleben zu erleichtern.

Zuwanderungsgeschichte? Migrationshintergrund? Einwanderung? Eine Begriffsklärung

Zur Beschreibung der gesellschaftlichen Gruppe von Menschen, die nach Deutschland eingewandert sind, werden verschiedene Begriffe benutzt. Dieser Text verwendet den Begriff „Menschen mit Zuwanderungsgeschichte

Das Statistische Bundesamt sprach bis 2023 von einem Migrationshintergrund, „wenn eine Person entweder selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde.“ Seit 2023 heißt es in der amtlichen Statistik „Einwanderungsgeschichte“. Es gilt folgende Definition : „Insgesamt umfasst die Bevölkerung mit Einwanderungsgeschichte alle Personen, die entweder selbst (Eingewanderte) oder deren beide Elternteile (Nachkommen von Eingewanderten) seit 1950 in das heutige Gebiet Deutschlands eingewandert sind. Diese Personen­gruppe umfasst rund ein Viertel der Bevölkerung Deutschlands.“ Personen mit nur einem eingewanderten Elternteil bilden seit dem eine eigene Gruppe.

Hintergrundinformationen des Statistischen Bundesamtes

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