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„Wir kennen die Fallschlingen, die Klischees uns legen“

Julia Collard und Sven Schnitzler bilden die Social-Media-Agentur Doppel[t]spitze und leben Klischeefreiheit in der Arbeitswelt vor. Im Interview erzählen Sie über ihre Erfahrungen, aber auch Zukunftswünsche.

„Wir kennen die Fallschlingen, die Klischees uns legen“

Frau Collard und Herr Schnitzler, könnten Sie die Doppeltspitze bitte kurz vorstellen?

Wir sind Julia und Sven. Und wir sind nicht nur zu zweit. Wir haben auch zwei Jobs. Seit 5 Jahren leiten wir gemeinsam den Bereich Marketing und Vertrieb einer privaten Hochschule. Den Titel „Doppeltspitze“ hat man uns dort quasi gegeben, weil wir plötzlich überall zu zweit aufgetaucht sind. Seit 2 Jahren sind wir daneben noch selbstständig mit einer Social Media Agentur, wir bloggen über die neue Arbeitswelt und das, was wir täglich lernen aus der Interaktion und Kommunikation mit Menschen. Wir geben Workshops in den Bereichen Organisationsentwicklung, Marketing und Leadership.

Was hat Sie motiviert, der Initiative Klischeefrei beizutreten?

Als gemischtes Doppel im Jobsharing kennen wir aus der gemeinsamen Arbeit, aber auch aus unserer jeweils einzelnen Biographie, die Fallschlingen, die Klischees uns legen. Sven wird immer eher angesprochen, wenn es um die technischen Dinge geht, Julia, wenn es ums Schreiben geht. Inzwischen spielen wir mit diesen Rollen und Klischees sehr selbstbewusst. Aber wir wünschen uns für eine neue Arbeitswelt, dass das anders wird. Nicht zuletzt wünschen wir uns, dass unsere 3 Töchter – Julias zwei mit 17 und 19 schon ganz bald, Svens mit 3 Jahren hat noch ein bisschen Zeit – fair und vorurteilsfrei in dieser Welt leben, arbeiten und sichtbar sein werden.

Auf welche Weise setzen Sie sich für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?

An der Hochschule sind wir mit dem Marketingteam sehr aktiv in allen MINT-Aktionen unterwegs – das Bild der Quotenstudentin im Wirtschaftsinformatikkurs muss endlich der Vergangenheit angehören. In unserem Team darf und muss jede und jeder alles machen. Es geht um ganz viel Ausprobieren und dann wirklich aus dem Bauch heraus eine Neigung für etwas zu entwickeln. Nicht zuletzt wären geschlechterdifferenzierte Gehälter bei uns undenkbar. 

Allerdings mussten wir zwei selbst da auch ordentlich für kämpfen. Erstaunlich, wie oft man auf ungläubige Blicke stößt, wenn wir sagen: Wir verdienen exakt gleich viel – unabhängig von Geschlecht, Erfahrung und Ausbildung. Einfach nur, weil wir den gleichen Job machen. Durch unsere zwei Blickwinkel als Mann und Frau haben wir die jeweilige Korrektur gleich automatisch in jedes Gespräch eingebaut.

Welche Erfolge haben Sie bisher mit Ihrer Arbeit erreicht? 

Der Erfolg der gleichen Gehälter und Position – das Jobsharing als Mann und Frau. Mit allen Unterscheiden in der Lebenssituation und dem Alter. Das ist schon der größte Erfolg. Bestimmt auch der, dass die vielen Wiedereinsteiger*innen in unserem Team als Vorbild für die jüngeren Mitarbeiter*innen beweisen: Man bekommt Job und Familie unter einen Hut, wenn alle daran mitarbeiten. Sven war während unsere Zusammenarbeit in Elternzeit und hat noch seinen Master gemacht, Julia ist aus einem völlig anderen Bereich ins Marketing gewechselt. Für unser Team schaffen wir neue Positionen oder Projekte, wenn Rahmenbedingungen oder Interessen sich ändern – wir leben vor, dass alles möglich ist. Unabhängig vom Geschlecht. Dass in unserem Team eine ziemlich exakte Parität herrscht, was Positionen und Geschlecht angeht, versteht sich von selbst.

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