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27.04.2021

„Wir setzen auf eine an Stärken und Interessen orientierte Begleitung“

Seit 40 Jahren bildet das BBW Nordhessen junge Menschen mit Lern- und/oder Körperbehinderungen sowie psychischen Beeinträchtigungen in über 20 Ausbildungsberufen aus. Bettina Wößner, Projektleiterin BOP, spricht über die Motivation für eine klischeefreie Berufsorientierung.

„Wir setzen auf eine an Stärken und Interessen orientierte Begleitung“
Bettina Wößner (Projektleitung BOP BBW Nordhessen) und Patrick Krieger (Leitung Teilnehmendenmanagement BBW Nordhessen)

Frau Wößner, können Sie BBW Nordhessen kurz vorstellen?

Das Berufsbildungswerk (BBW) Nordhessen ist eine Bildungseinrichtung mit langjähriger Erfahrung auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Seit fast 40 Jahren bildet das BBW Nordhessen im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit junge Menschen mit Lern- und/oder Körperbehinderungen sowie psychischen Beeinträchtigungen in über 20 Ausbildungsberufen aus.

Das Ziel ist die berufliche, soziale und gesellschaftliche Rehabilitation unserer Auszubildenden. Neben der Ausbildung gehören zu unseren Kernleistungen im Bereich der Berufsorientierung und Berufsvorbereitung die Angebote zur Arbeitserprobung, Eignungsabklärung, Diagnostik sowie Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen. Wir wollen junge Menschen mit Beeinträchtigungen stark machen für einen erfolgreichen Einstieg in die Arbeitswelt. Dies gelingt uns auch durch sehr gute und langjährige Kooperationen mit Betrieben, in welchen unsere Teilnehmenden wertvolle Erfahrungen sammeln können.

Was hat Sie motiviert, der Initiative Klischeefrei beizutreten?

Gerade in der berufsvorbereitenden Arbeit junger Menschen mit Förderbedarf erleben wir häufig, dass die berufliche Orientierung von dem Wissen um ihre Defizite und von geschlechtstypischen Vorstellungen geprägt ist.

Wir wissen, dass eine klischeefreie Berufswahl auch bei Jugendlichen mit Förderbedarf wünschenswert ist, stellen aber fest, dass es häufig für diese Gruppe der Jugendlichen einer besonderen Anstrengung bedarf, einen geschlechtsuntypischen Beruf zu wählen, da zum Teil das bestärkende Umfeld fehlt. Und genau deshalb sehen wir die Teilnahme an der Initiative Klischeefrei als Möglichkeit, unsere Teilnehmer*innen zu unterstützen, einen Beruf zu wählen, der ihre Interessen und Fähigkeiten zum Einsatz bringen kann und sich nicht an den Reaktionen der Umwelt und gängigen Klischees orientiert.

Weiter sehen wir durch den Beitritt auch die Chance, die Genderkompetenz unsere Mitarbeiter*innen weiter auszubauen. Der Prozess ist gestartet, jetzt geht es um die kontinuierliche Umsetzung in der alltäglichen Arbeit und um den Aufbau von Strukturen zur langfristigen Unterstützung.

Auf welche Weise setzen Sie sich für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?

Um eine eigenständig Lebensperspektive mit realistischen und klischeefreien Möglichkeiten bei der Arbeitsintegration zu entwickeln, setzen wir auf eine an Stärken und Interessen orientierte Beratung und Begleitung. Hierzu gehören das selbstbestimmte Erkunden von unterschiedlichen Berufsfeldern, die Ermutigung, auch mal nach links und rechts zu schauen, das Wecken von neuen Interessen und nicht zuletzt, das Aufzeigen von schlummernden Fähigkeiten und Stärken. Die Jugendlichen können dadurch Erfahrungen machen, die bisherige Vorstellungen aufbrechen.

Des Weiteren bieten wir ihnen Vorbilder, die Orientierung und Ermutigung auf ihrem Weg sein können. Die Teilnehmer*innen im BBW Nordhessen erleben Ausbilder*innen und Auszubildende in geschlechtsuntypischen Berufen, was dazu anregen kann, die eigenen beruflichen Vorstellungen noch einmal zu überdenken.

Welche Erfolge haben Sie bisher mit Ihrer Arbeit erreicht?

Besonders in der beruflichen Orientierung äußern immer wieder Teilnehmende, dass sie froh sind, sich auch in Berufsfeldern ausprobiert zu haben, die sie nicht in ihrem Repertoire hatten und die nicht geschlechtstypischen Vorstellungen entsprechen. Viele zeigen sich positiv überrascht, welche Fähigkeiten sie entdeckt haben. Durch die Bestärkung dieser Fähigkeiten sind sie häufig offen, weitere Praxiserfahrungen in diesen Berufsfeldern zu machen. Junge Menschen zu motivieren, sich in Berufsfeldern auszuprobieren, die innerhalb ihres Geschlechtes nicht populär sind, sehen wir als einen der ersten Bausteine für eine klischeefreie Berufswahl und den Abbau von Vorbehalten.