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29.04.2021

„Gemeinsam kann man mehr erreichen“

Die Stadt Nordhorn setzt sich aktiv für den Abbau von Geschlechterklischees ein. Gleichstellungsbeauftragte Anja Milewski spricht im Interview darüber, warum die Mitarbeit bei der Initiative Klischeefrei dabei ein wichtiger Baustein ist.

„Gemeinsam kann man mehr erreichen“

Frau Milewski, können Sie die Stadt Nordhorn kurz vorstellen?

Die Stadt Nordhorn ist eine Niedersächsische Kommunalverwaltung mit rund 450 Mitarbeiter*innen in den unterschiedlichsten Berufen. Nordhorn selbst hat rund 55.000 Einwohner*innen, ist die Kreisstadt des Landkreises Grafschaft Bentheim und liegt direkt an der niederländischen Grenze.

Die Nordhorner Stadtverwaltung zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sie bereits 1992 als eine der ersten Kommunen in Deutschland eine Frauenbeauftragte in Vollzeit eingestellt hat. Inzwischen lautet die Berufsbezeichnung Gleichstellungsbeauftragte.

Was hat Sie motiviert, der Initiative Klischeefrei beizutreten?

Die Initiative Klischeefrei betont genau das, wofür wir hier in der Nordhorner Verwaltung arbeiten, nämlich Geschlechterklischees abzubauen. Das gilt sowohl im Rahmen von Bewerbungsverfahren als auch in unserer täglichen Arbeit mit den Bürger*innen und nicht zuletzt in der Kinder- und Jugendarbeit.

Weil man gemeinsam immer mehr erreichen kann, als allein, haben wir uns der Initiative angeschlossen. Wir wollen zur Erreichung der Ziele der Initiative beitragen und gleichzeitig auch Anregungen für unsere eigene Arbeit von anderen Mitgliedern erhalten.

Auf welche Weise setzen Sie sich für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?

Ansatzpunkte hat die Stadt Nordhorn hier beispielsweise beim Arbeitsplatz- und Ausbildungsangebot sowie in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Als Gleichstellungsbeauftragte ist es eine meine Kernaufgaben, dafür zu sorgen, dass sämtliche Personalentscheidungen geschlechtsunabhängig getroffen werden. So sieht es unsere Verfassung ja auch vor.

Im Bereich Ausbildung achten die Kolleg*innen aus dem Personalamt und ich gemeinsam darauf, junge Menschen auch für Berufsbilder abseits der hergebrachten Klischees zu begeistern. Ausbildungsberufe wie KFZ-Mechatronikerin oder Fachinformatikerin stehen hier ausdrücklich auch Frauen offen, Männer können sich bei uns problemlos für eine Ausbildung als Erzieher bewerben. Leider kommt gerade Letzteres bisher nur selten vor.

Dem jährlichen Zukunftstag für Mädchen und Jungen habe ich darum im Hinblick auf die klischeefreie Berufsorientierung ein ganz klares Konzept gegeben. Früher war das einfach ein Tag, an dem Eltern ihre Kinder mit zur Arbeit bringen konnten. Seit 13 Jahren führe ich ihn stattdessen als Erlebnistag mit gezielten Workshops durch. Dabei können ausschließlich Mädchen in die vermeintlichen Männerberufe im Bauhof, der Straßenbauabteilung, dem IT-Service und im Verwaltungsvorstand hineinschnuppern. Jungen können sich für Workshops in den vermeintlichen Frauenberufen im Kindergarten, Jugendtreff, den Vorzimmern und der Kulturabteilung bewerben. Während des gemeinsamen Rahmenprogramms vor und nach den Workshops werden die Klischees dann explizit angesprochen und mit den Teilnehmer*innen aufgearbeitet. Das Konzept hat sich bewährt, die Anmeldezahlen steigen jedes Jahr.

Die Abteilung Jugendarbeit zielt mit vielen ihrer Aktionen ebenfalls darauf ab, Geschlechterklischees aufzubrechen. Die Kolleg*innen führen zwar Mädchentage, Jungentage und ähnliche Aktionen durch. Sie öffnen diese Angebote aber für alle Geschlechter und bieten dann gezielt auch „geschlechteruntypische“ Aktivitäten an. Immer nach dem Motto: Mädchen können alles, und Jungen auch.

Welche Erfolge haben Sie bisher mit Ihrer Arbeit erreicht?

Ein Erfolg ist sicherlich, dass die eben genannten Aktionen für Kinder und Jugendliche inzwischen in der breiten Öffentlichkeit anerkannt und beliebt sind. Die Anmeldezahlen sind hoch und steigen weiter. Immer mehr Jungen kommen auch zu den Mädchentagen und umgekehrt. Ein weiterer Erfolg ist, dass meine Mitarbeit an Personalentscheidungen zur Selbstverständlichkeit geworden ist und immer seltener Konflikte hervorruft. Dafür eröffnen sich neue Konfliktfelder, zum Beispiel im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch hier gilt es noch viele Klischees aus dem Weg zu räumen, damit junge Männer und Frauen ohne Vorbehalte in die Karriere starten können.

Klischeefrei bedeutet für die Stadt Nordhorn nicht nur, dass sämtliche Personalentscheidungen unabhängig vom Geschlecht der Bewerber*innen getroffen werden. Es bedeutet auch, dass wir uns auf der Suche nach Auszubildenden, in der Kinder- und Jugendarbeit und in der Öffentlichkeitsarbeit aktiv dafür einsetzen, dass Geschlechterklischees abgebaut werden.

Anja Milewski, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Nordhorn