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06.05.2021

„Menschen sollen ihre Ausbildungswahl aufgrund ihrer Fähigkeiten und Interessen treffen“

Die Autonome Provinz Bozen – Südtirol ist die erste außerdeutsche Partnerorganisation der Initiative Klischeefrei. Alexa Seebacher, Amtsdirektorin des Amtes für Ausbildungs- und Berufsberatung Südtirol erklärt im Interview, weshalb sich das Land Südtirol für eine Berufsberatung frei von Geschlechterklischees engagiert.

„Menschen sollen ihre Ausbildungswahl aufgrund ihrer Fähigkeiten und Interessen treffen“

Frau Seebacher, könnten Sie das Amt für Ausbildungs- und Berufsberatung kurz vorstellen?

Das Amt für Ausbildungs- und Berufsberatung ist ein Dienst der Südtiroler Landesverwaltung und umfasst die deutsche, italienische und ladinische Berufsberatung, um allen Bevölkerungsgruppen in Südtirol eine Unterstützung in Fragen der Ausbildungs- und Berufswahl zu sein. Zielgruppen sind Jugendliche ab ca. 13 Jahren, die nach der Einheitsmittelschule eine weiterführende Schule (staatliche Schule, Berufsschule, Lehre) wählen und Jugendliche der Oberstufe (17/18 Jahre) die sich für ein weiterführendes Studium, eine Alternative oder den Eintritt in die Arbeitswelt entscheiden. Zudem arbeiten wir auch mit Erwachsenen zu Fragen der Umorientierung, des Wiedereinstieges oder der Weiterbildung. Unser Dienst ist „neutral und kostenlos für die Ratsuchenden“ und wir haben Schweigepflicht.

Schwerpunkte der Beratung sind Information und Orientierung. Während erstere verstärkt auf Schulen, Stundenpläne, Studien, Curricula, Weiterbildung, Berufliche Tätigkeiten, Tipps zur Arbeitssuche, Bewerbung, Inhalte und Rahmenbedingungen usw. fokussiert, geht es in der Orientierung um das Abklären von Interessen, Fähigkeiten, Werten, Wünschen und Zielen.

Hierzu stehen unterschiedliche Hilfsmittel, wie zum Beispiel die Potenzialanalyse zur Verfügung. Zudem arbeiten die Berater*innen an der Veröffentlichung verschiedenster Publikationen (Elternratgeber, Überblicksbroschüre(n) zu Schulen, didaktische Hilfsmittel wie zum Beispiel den Orientierungskoffer, Berufsportraits) und in der Fortbildung von Eltern und Lehrpersonen.

Was hat Sie motiviert, der Initiative Klischeefrei beizutreten?

Auf Grund unserer kulturellen Vielfalt (deutsch, italienisch, ladinisch, Menschen aus anderen Ländern und Kulturen) sind wir seit jeher bemüht, den Menschen ohne Vorurteile zu begegnen. Grundsätzlich sollen alle Menschen auf Grund ihrer Fähigkeiten und Interessen ihre Ausbildungswahl treffen und nicht auf Grund ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft.

Auf welche Weise setzen Sie sich für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?

Wir haben 2019 die Kampagne „Umdenken öffnet Horizonte“ neu aufgelegt. Die Kampagne beinhaltet Postkarten und Plakate, auf denen vor allem die Fotos wirken sollen. Die Bilder sprechen für sich, so sehen Sie zum Beispiel eine KFZ- Mechaniker und eine KFZ- Mechanikerin: Von wem würden Sie sich lieber ihr Auto reparieren lassen. WARUM? Oder eine Pilotin und einen Piloten: von wem würden Sie sich lieber nach Paris fliegen lassen? WARUM? Wem überlassen Sie lieber die Erziehung Ihrer Kinder? Einem Mann oder einer Frau und WARUM?

Das Geschlecht ist nach wie vor ein wichtiges Identitätskonzept in unserer Gesellschaft. Schon im Kindesalter werden Kindern unbewusst geschlechtsstereotype Eigenschaften vorgelebt und eingeprägt und dies wirkt sich später in der Ausbildungs- und Berufswahlentscheidung aus.

Studien beweisen, dass der Nachwuchs den Geschlechterrollen treu bleibt.

Mit dieser bewusstseinsbildenden Kampagne wollen wir Mädchen und Jungen, Frauen und Männer aus dem geschlechtsspezifischen Korsett befreien und sie zu einer freien und überlegten Berufswahl animieren.
Auf dem Papier sind Frauen und Männer mittlerweile gleichberechtigt, in den Köpfen vieler Menschen bzw. in der Gesellschaft leider lange noch nicht.

Beim Girls'Day und Boys'Day machen wir Live-Talks mit Menschen, die in einem eher „geschlechtsuntypischen“ Beruf arbeiten. So haben wir einen Tagesvater und eine Försterin interviewt, eine Elektroingenieurin und Universitätsprofessorin und einen Krankenpfleger. Sie sollen als Vorbilder wirken und animieren, sich aus tradierten Vorstellungen zu befreien.

Gerade im MINT Bereich versuchen wir, auch Mädchen für diese Studien und Berufe zu sensibilisieren.
In unseren Berufsbeschreibungen verwenden wir immer die weibliche und männliche Bezeichnung und sind bemüht, stets alle mitzudenken und einzuschließen.

Welche Erfolge haben Sie bisher mit Ihrer Arbeit erreicht?

Unsere Haltung ist eine offene, einschließende, nicht ausgrenzende. Es ist schwer mit Zahlen zu belegen, was erreicht wurde, da eine Ausbildungs- und Berufswahl meist multifaktoriell begründet sind und es schwer zu sagen ist, was letztlich der ausschlaggebende Grund für eine bestimmte Entscheidung ist oder war. Dennoch glaube ich, dass wir nie aufhören dürfen zu sensibilisieren, getreu dem Sprichwort: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“

Wir wollen Vorbilder schaffen, die wegweisend sein können und Möglichkeit zur Identifikation bieten.

„Klischeefrei bedeutet für uns … Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft und ihres Alters zu Ausbildungs- und Berufswahlfragen „neutral“ zu informieren und zu beraten. Es ist wichtig, dass Berater*innen diese Themen für sich selbst reflektieren, um Sensibilität und Bewusstheit für diese Themen zu erlangen.“

Alexa Seebacher, Amtsdirektorin des Amtes für Ausbildungs- und Berufsberatung, Südtirol

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