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18.08.2021

„Unsere bisherigen Rezepte reichen nicht aus“

Die Initiative Klischeefrei bietet den perfekten Rahmen für eine querschnittsorientierte Bearbeitung im Austausch mit Bündnispartnerinnen, die vor der gleichen Problemlage stehen, sagt der Regionspräsident der Region Hannover, Hauke Jagau, im Interview.

„Unsere bisherigen Rezepte reichen nicht aus“

Herr Jagau, können Sie die Region Hannover kurz vorstellen?

Die Region Hannover wird dieses Jahr 20 Jahre alt und ist ein einzigartiges Modellprojekt für die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben bundesweit. Hervorgegangen aus dem Zusammenschluss des Landkreises Hannover und des Kommunalverbandes Großraum Hannover, bündelt die Gebietskörperschaft heute wesentliche Leistungen der Daseinsvorsorge für 1,2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner in 21 Städten und Gemeinden – die Landeshauptstadt Hannover eingeschlossen.

Wenn wir uns nun auf die Initiative Klischeefrei beziehen: Wir haben herausgefunden, dass mehr als die Hälfte unserer Aufgaben in irgendeiner Form mit der Gleichstellung von Frauen und Männern zu tun hat. 2018 haben wir den Gender Award für vorbildliche kommunale Gleichstellungsarbeit erhalten und dieses Level wollen wir halten.

Was hat Sie motiviert, der Initiative Klischeefrei beizutreten?

Die Region ist natürlich gesetzlich verpflichtet sich für mehr Gleichstellung einzusetzen – und tut dies auch aus Überzeugung. Dennoch stoßen wir immer wieder an Grenzen: Der letzte Gleichstellungsbericht zeigte erneut, dass die Berufswahl in der Region häufig geschlechtsspezifisch erfolgt.

Trotz gezielter Programme lassen sich Mädchen und Jungen bei der Berufswahl mehr von Klischees leiten, als von ihren eigenen Stärken und echten Interessen. Potenziale werden dann oft nicht ausgeschöpft, weder individuell, wenn der Beruf nicht erfüllend ist, noch gesamtgesellschaftlich, da bekannt ist, dass gemischtgeschlechtliche Belegschaften erfolgreicher zusammenarbeiten. Das ist auch höchstproblematisch im Hinblick auf den Fachkräftemangel. Wir können die zu erwartenden Bedarfe an Fachkräften nicht stillen, wenn die Berufswahl weiter geschlechtsspezifisch mit einem Fokus auf die stets gleichen Bereiche erfolgt, sei es bei der Feuerwehr, in der Grundschule, im IT-Bereich oder in der Pflege.

Doch unsere bisherigen Rezepte reichen noch nicht aus, das haben mehrere unserer Fachbereiche erkannt. Die Initiative Klischeefrei bietet den perfekten Rahmen für eine querschnittsorientierte Bearbeitung im Austausch mit Bündnispartnerinnen, die vor der gleichen Problemlage stehen.

Auf welche Weise setzen Sie sich für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?

Auf vielen verschiedenen Wegen und durch alle beteiligten Bereiche zieht sich unser Engagement für eine klischeefreie Berufswahl. Auf unserer Website hannover.de beispielsweise bieten wir zahlreiche Informationen rund um die Frage: Wie kann MAN(N) mit Kindern (beruflich) die Welt entdecken? Da finden sich Erfahrungsberichte, Ausbildungs- und Karrierewege und Kontakte von Beratungsstellen.

Sehr wichtig ist uns, in der Beschäftigungsförderung mit der Zielsetzung für Projekte zum Aufbrechen stereotyper Berufswahl beizutragen. Knapp 56 Prozent der Fördermittel der Beschäftigungsförderung im Jahr 2020 zielen nun darauf ab.

Auch Kinder versuchen wir, zu erreichen, beispielsweise bei unserem kommenden Tag der Offenen Tür: Hier können sich Familien spielerisch mit geschlechtergerechter Berufswahl beschäftigen. Ich könnte noch viele weitere Punkte aufführen. Wir freuen uns darüber hinaus auf den Austausch innerhalb der Initiative Klischeefrei und hoffen auf weitere Impulse.