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16.12.2021

„Wir wollen Kindern und Jugendlichen die Werte und vielfältigen Möglichkeiten von heute vermitteln“

Die Hansestadt Herford hat sich der Initiative Klischeefrei angeschlossen. Im Interview spricht Beigeordneter Patrick Puls über die Motivation und die Aktivitäten der Stadt.

„Wir wollen Kindern und Jugendlichen die Werte und vielfältigen Möglichkeiten von heute vermitteln“

Herr Puls, können Sie die Stadt Herford kurz vorstellen?

Die Hansestadt Herford liegt zwischen dem Teutoburger Wald und dem Wiehengebirge. Sie ist eine der ältesten Städte Westfalens und etwa 1200 Jahre alt. In Herford leben heute (Stand: Dez. 2021) etwa 68.000 Einwohnerinnen und Einwohner, die aus über 100 verschiedenen Ländern kommen.

Herford hat sich als leistungsstarker und attraktiver Wirtschaftsstandort positioniert. So finden sich drei der größten Bekleidungsfirmen Deutschlands in Herford. Auch kulturell hat Herford viel zu bieten. Hier sind etwa das über die Stadtgrenzen hinaus bekannt moderne Museum Marta, die Nordwestdeutsche Philharmonie und das Stadttheater zu nennen.

Herford wird auch als die „Stadt der Starken Frauen“ bezeichnet. Vor etwa 1200 Jahren wurde das Herforder Damenstift gegründet und erst nach 1000 Jahren aufgelöst. Berühmte Herforder Frauen waren unter anderem Königin Mathilde, Gertrud zur Lippe und Elisabeth von der Pfalz. Auch eine der vier „Mütter des Grundgesetzes“, Frieda Nadig, stammt aus Herford.

Herford ist Hochschulstandort. Die Hochschule für Kirchenmusik Herford-Witten gehört zur evangelischen Kirche von Westfalen und ist eine der größten evangelische Musikhochschulen Deutschlands. Am Standort der ehemaligen Wentworth-Kaserne gibt es inzwischen den BildungsCampus Herford. Hier sind eine Dependance der Fachhochschule für Finanzen (FHF) und die Hebammenausbildung der Fachhochschule des Mittelstandes ansässig.

Die Stadtverwaltung Herford beschäftigt rund 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in drei Dezernaten und dem Stabsbereich des Bürgermeisters. Als große kreisangehörige Stadt verfügen wir auch über ein eigenes Jugendamt, fünf eigene Kindertagesstätten und sind Schulträger von 11 Grund-, 3 Realschulen, einer Gesamtschule und 3 Gymnasien.

Was hat Sie motiviert, der Initiative Klischeefrei beizutreten?

In der täglichen Arbeit des Dezernates Bildung, Jugend und Soziales stehen vor allem auch Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt unseres Handelns. Gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten Karola Althoff-Schröder, die sich bei der Stadtverwaltung auch für die Durchführung der Boys'Days und Girls'Days hauptverantwortlich zeigt, haben sich die Fachbereiche meines Dezernats abteilungsübergreifend mit den Inhalten und Zielen der Initiative auseinandergesetzt.

Dabei haben wir noch einmal ganz bewusst identifiziert, was wir bereits machen und was wir noch mehr machen können und wollen. So sind im KiTa-Alltag die Themen Demokratie und Gleichberechtigung in vielen Bereichen gelebte Praxis – auch wenn das Bild der Erzieher*innen deutlich überwiegend weiblich geprägt ist und es nur wenige Männer als Vorbilder gibt. Dass der Beruf Erzieher*in viel mehr als Grundfeste der Bildung wahrgenommen werden muss und nicht das Bild „der Tante, die mit Kindern spielt“ erhalten bleibt, muss auch Ziel einer gezielten Aufklärung und Gegensteuerung sein.

Auch die pädagogische Arbeit des Jugendamtes ist weiblich geprägt, weil es im diesem Bereich offensichtlich schwierig ist, männliches Personal zu finden und langfristig zu binden. Auch hier bedarf es Maßnahmen, verstärkt für männliche Fachkräfte zu werben. Eine gendersensible Arbeit mit dem grundlegendem Auftrag, Geschlechterklischees zu begegnen und aufzuarbeiten, ist ein festes Prinzip unserer Jugendarbeit wenngleich sowohl geschlechtsheterogene als auch –homogene Angebote aus pädagogischer Sicht ihre Berechtigung haben. So stärken die in der Jugendarbeit geltenden Prinzipien der Partizipation die Freiheit sich auszuprobieren, die Persönlichkeitsentwicklung und dadurch auch das Selbstbewusstsein und die Selbstidentifikation von jungen Menschen. Der Jugendarbeit nimmt hier eine Vorreiterrolle rein, da sie sehr niedrigschwellig und bedarfsorientiert ansetzt. 

Im Verwaltungsvorstand haben wir unsere Idee des Beitritts vorgestellt und allen voran von Bürgermeister Tim Kähler volle Unterstützung erhalten, uns als Hansestadt in unserer täglichen Arbeit zu den Grundsätzen der Initiative zu bekennen und dies durch einen Beitritt zum Bündnis auch öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Als ich unseren Kitas persönlich die Methodensets der Initiative überbracht und gehört habe „ach klischeefrei – finden wir gut!“, wusste ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir wollen den Kindern und Jugendlichen in unserer Arbeit schließlich die Werte und vielfältigen Möglichkeiten von heute – und nicht von gestern – vermitteln und eröffnen.

Auf welche Weise setzen Sie sich für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?

BerufswahlkoordinatorInnen, LehrerInnen und sozialpädagogische Fachkräfte arbeiten in den Schulen an den Themen Übergang Schule – Beruf und führen gemeinsam mit der Kommunalen Koordinierungsstelle des Kreises Herford Berufsfelderkundungen und Potentialanalysen durch. SchülerInnen erkunden verschiedene Berufsfelder nach Interesse und Fähigkeiten und orientieren sich für Ihre berufliche Zukunft.

Obwohl Schülerinnen in mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern starke Leistungen zeigen, entscheiden sie sich im Vergleich zu Schülern erheblich seltener für Berufe in diesen Feldern.
Wie kann es in Herford zunehmend besser gelingen, jungen Frauen Mut zu machen und sie dabei zu unterstützen, sich für technische Berufe zu interessieren und Ausbildung und Studium anzutreten? Wie können die Bemühungen der weiterführenden Schulen für eine Steigerung dieser Quote besser flankiert werden? Gemeinsam mit den multiprofessionellen Teams der Bildungseinrichtungen wollen wir Strategien und Maßnahmen entwickeln, Mädchen und jungen Frauen zukunftsfähige, gut bezahlte und interessante Berufe im MINT-Bereich zu eröffnen.

Auch im Rahmen der geförderten offenen Jugendarbeit werden besondere Angebote der Berufsorientierung oder der parteilichen Mitarbeit für Mädchen angeboten. Angebote speziell für Jungen sollen mit der kommenden Förderplanung noch weiter ausgebaut werden.

Welche Erfolge haben Sie bisher mit Ihrer Arbeit erreicht?

Im „Pakt mit dem Sport“ bekennen sich die Hansestadt Herford, der Stadtsportverband und seine Vereine zu einem klischeefreien Miteinander. Herforder SportlerInnen stehen für einen antirassistischen Umgang ein und bekennen sich zu einem toleranten Miteinander. Viele der im Sport organisierten Mitglieder sind Frauen. Sie sind Leistungs- und Breitensportlerin, Übungsleiterinnen, Trainerinnen. Warum finden so wenig Frauen den Weg in die Vorstände und die Funktionärinnenebene? Auch dort werden sie gebraucht, um Vereinsstrukturen weiterzuentwickeln und die Sportvereine der Zukunft zu gestalten. Das Ziel, gemeinsam mit dem Stadtsportverband und seinen Vereinen unterstützende und ermutigende Maßnahmen und Ideen für die Sportfunktionärin der Zukunft zu entwickeln haben wir direkt nach unserem Beitritt zur Initiative in die aktuelle Fassung des „Pakt mit dem Sport“ aufgenommen, die jüngst vom Stadtrat verabschiedet wurde.

„Wir wollen den Kindern und Jugendlichen in unserer Arbeit die Werte und vielfältigen Möglichkeiten von heute – und nicht von gestern – vermitteln und eröffnen“

Patrick Puls, Beigeordneter der Hansestadt Herford