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14.03.2018

Mehr Männer in Kitas - mehr Vielfalt in der Kindererziehung

Bisher arbeiten nur relativ wenig männliche Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen. Die Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg/Männer in Kitas“ will das ändern und junge Männer für dieses Berufsfeld gewinnen. Im Interview erläutert Jens Krabel, Fachreferent der Koordinationsstelle, warum Männer in der Frühen Bildung sehr wichtig sind.

Porträt von Jens Krabel | Fachreferent der Koordinierungsstelle Chance Quereinstieg/Männer in Kitas

Herr Krabel, könnten Sie sich und Ihre Organisation bitte kurz vorstellen?

Die Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg/Männer in Kitas“ arbeitet gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Praxis daran, Männer, Quereinstiegsinteressierte und andere in Kindertageseinrichtungen bisher unterrepräsentierte Personengruppen für den Beruf des Erziehers bzw. der Erzieherin zu gewinnen und sie nachhaltig an das Arbeitsfeld zu binden.

Mit unserer Arbeit möchten wir dazu beitragen, dass sich die Lebens- und Erfahrungsvielfalt von Kindern auch in der Zusammensetzung der Teams von Kindertageseinrichtungen widerspiegelt. Denn die heterogenen Lebenswelten der Kinder, wie zum Beispiel eine familiäre Migrationsgeschichte oder verschiedene kulturelle oder religiöse Zugehörigkeiten, sollten sich im Einrichtungsteam abbilden. Uns liegt besonders daran, auch Kleinkinder erfahren zu lassen: Wenn es um ihre Fürsorge, Erziehung und Bildung geht – dafür sind auch Männer da! Mit unserer Öffentlichkeitsarbeit möchten wir weiterhin dazu beitragen, die Diskussionen und fachlichen Entwicklungen im Bereich der frühen Bildung gender- und diversitätsbewusst zu gestalten.

Was hat Sie motiviert, sich in der Initiative Klischeefrei zu engagieren?

Aus unserer Sicht sind in bestimmten (sozialen) Medien und Institutionen, wie beispielsweise der Partei AfD, in den letzten Jahren die Stimmen lauter geworden, die sich gegen öffentlich geförderte Strategien zur Herstellung einer geschlechtergerechten Gesellschaft aussprechen. Vor diesem Hintergrund ist es für uns wichtig, dass Organisationen im Rahmen von Kooperationen gemeinsam und öffentlich für die Überwindung traditioneller und einengender Geschlechterklischees eintreten.

Eine Parität der Geschlechter trägt unserer Meinung nach in allen gesellschaftlichen Bereichen zu einer gleichberechtigteren Gesellschaft bei. Ebenso wie politisch über Frauen in Führungspositionen diskutiert wird, gibt es auch in Deutschland einen – zwar noch recht jungen - politischen und gesellschaftlichen Diskurs über Männer in fürsorgenden Berufen.

Mit unserer Arbeit setzen wir uns für eine Erweiterung beruflicher Perspektiven für Männer und Frauen ein, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht. Im Sinne einer geschlechtergerechten gesellschaftlichen Arbeitsteilung streben wir zugleich eine Erweiterung traditioneller Geschlechtervorstellungen an. Wir gehen fest davon aus, dass eine Erhöhung des Männeranteils im Berufsfeld Kindertageseinrichtungen zur Öffnung des Berufswahlspektrums und der Handlungsspielräume von Männern beiträgt.

Wir erachten es außerdem als wünschenswert, dass Jungen und Mädchen, die in Kindertageseinrichtungen betreut werden, auch Männer in fürsorglichen, sozialen Tätigkeiten erleben. Mit unserer Arbeit versuchen wir zudem, zu einer Aufwertung professioneller Sorgearbeit beizutragen.

Auf welche Weise setzt sich die Koordinationsstelle für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?

Wir begleiten Modellprogramme, wie zum Beispiel das aktuelle Programm „Quereinstieg – Frauen und Männer in Kitas“ sowie Träger von Kindertageseinrichtungen und Fach- bzw. Hochschulen, die beispielhaft erproben, neue Zielgruppen für den Beruf des Erziehers bzw. der Erzieherin zu gewinnen. Wichtige Arbeitsfelder hierbei sind die Weiterentwicklung von erwachsenengerechten berufsbegleitenden Ausbildungen, von Lernortkooperationen zwischen Fach- bzw. Hochschule und Kindertageseinrichtungen, von geschlechter- und diversitätsbewussten Pädagogikansätzen bzw. Teamentwicklungsprozessen.

Weiterhin beschäftigen wir uns mit den Themen Berufsberatung, Forschungsaustausch und Öffentlichkeitsarbeit. Wir bereiten Forschungsergebnisse, die wir beispielsweise im Rahmen unserer Studien zu männlichen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen gewonnen haben, praxisnah für die Praxis auf. Unsere Handreichungen zu Themen wie, „geschlechtersensible Personalentwicklung für Kita-Träger“ oder „geschlechtersensible Öffentlichkeitsarbeit für Kitas“ können kostenfrei bei uns bestellt werden.

Eine praxisnahe Arbeit, Feldkompetenz und Kooperationen mit zahlreichen Partnerorganisationen sowie Netzwerken zeichnen die Arbeit der Koordinationsstelle aus. Sie ist an die Katholische Hochschule für Sozialwesen angegliedert und wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Welche Erfolge haben Sie bereits mit Ihrem Engagement erreichen können?

Auch wenn die Steigerung des Anteils männlicher Erzieher in letzten Jahren sicherlich nicht allein der Koordinationsstelle zu verdanken ist, so haben wir mit unserer Arbeit doch einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass mittlerweile mehr männliche Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen arbeiten als je zuvor. Seit der Etablierung der Koordinationsstelle im Jahre 2010 konnte die Anzahl ausgebildeter männlicher Fachkräfte (9.979) mehr als verdoppelt werden, sodass im Jahr 2016 mittlerweile 21.983 männliche Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen arbeiten. Und das, obwohl sich traditionelle Geschlechterrollenbilder weiterhin massiv auf die Berufswahl von Jungen und Mädchen auswirken.

Weiterhin haben wir im Rahmen von vielen (Bundes-)Programmen und Projekten, Einrichtungsträger und Kindertageseinrichtungen sowie Ausbildungseinrichtungen für Erzieherinnen und Erzieher darin unterstützt, ihre Konzeptionen und pädagogische Arbeit bzw. ihre Ausbildungsinhalte gender- und diversitätssensibler zu gestalten. Mit unserer Öffentlichkeitsarbeit haben wir sicherlich auch dazu beigetragen, Männlichkeitsbilder vielfältiger und weniger stereotyp nach außen hin darzustellen. Beispielhaft möchte ich in diesem Zusammenhang auf unsere Ausstellung „Was bedeutet Mannsein heute?“ hinweisen.