16.04.2019
„Wir feiern Erfolge von jungen Frauen und Männern, die sich gegen den Mainstream entschieden haben“
Die Handwerkskammer Münster setzt sich für die Interessen ihrer 28.400 Betriebe im Münsterland und der Emscher-Lippe-Region ein. Die Gewinnung und Bindung von Personal spielen in den Handwerksbetrieben eine zentrale Rolle.
Herr Haack, können Sie kurz Ihre Einrichtung vorstellen?
Unser Kammerbezirk liegt ganz am oberen Ende Nordrhein-Westfalens und zeichnet sich durch eine klare Zweiteilung aus: Im eher ländlichen Münsterland gibt es mittlerweile eine sehr geringe Arbeitslosigkeit, während im nördlichen Ruhrgebiet als Ballungsraum mit stärkerer industrieller Ausrichtung die Arbeitslosigkeit weiterhin deutlich höher ist und viele junge Menschen keinen Ausbildungsplatz finden. Bei uns kann man also während einer einstündigen Autofahrt sehr verschiedene Ausgangslagen rund um die Themen: „Ausbildung“ und „Beschäftigung“ erleben. Trotz dieser Zweiteilung und unterschiedlicher Ausgangslagen haben viele unserer Betriebe große Schwierigkeiten Auszubildende und Fachkräfte zu finden. Deshalb engagieren wir uns als Handwerkskammer mit verschiedenen Angeboten rund um das Thema Fachkräfte.
Was hat Sie motiviert, der Initiative Klischeefrei beizutreten?
Wir möchten gerne sowohl unseren Betrieben als auch Bewerberinnen und Bewerbern signalisieren, dass es Sinn macht Klischees bei der Berufs- bzw. bei der Personalwahl abzubauen. Vereinfacht gesagt: Wenn einige unserer Betriebe „aus Prinzip“ keine jungen Frauen ausbilden, haben sie ihren Bewerberpool automatisch um 50% reduziert. Das können sie sich eigentlich nicht mehr leisten. Genauso freue ich mich, wenn ich – wie am vergangenen Samstag – in meiner Bäckerei auf einen angehenden Fachverkäufer treffe, der mit Spaß und Begeisterung bei der Sache ist und offensichtlich die richtige Stelle gefunden hat.
Auf welche Weise setzen Sie sich für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?
Bei fast allen Veranstaltungen, die das Thema Fachkräfte thematisieren, werben wir für eine geschlechterneutrale Bewerberauswahl. Zum Glück kennen wir eine Menge Betriebe, die an dieser Stelle über gute Erfahrungen verfügen und diese gerne an andere Betriebe weitergeben. Seit mehreren Jahren geben wir zudem eine Broschüre heraus, in der viele Beispiele guter Personalarbeit vorgestellt werden.
Wichtig ist uns aber auch, dass wir im Rahmen unserer zahlreichen schulischen Veranstaltungen über das Thema reden und junge Auszubildende vorstellen oder sogar direkt erzählen lassen, die eine „untypische“ Berufswahlentscheidung getroffen haben. Da wir viele Jugendliche in Rahmen von Einzelgesprächen über unsere Berufe informieren und sie bei der Ausbildungsplatzsuche unterstützen, können wir auch hier gezielt auf die Problematik eingehen. Übrigens sind es oft gar nicht so sehr die jungen Menschen, sondern deren Eltern, die überzeugt werden müssen.
Welche Erfolge haben Sie bisher mit Ihrer Arbeit erreicht?
Ich würde jetzt gerne sagen, dass wir schon grundlegende Veränderungen bewirkt haben, aber das wäre übertrieben. Wir haben es aber in den letzten Jahren geschafft, dass das Thema offensiver als bisher bei allen Beteiligten diskutiert wird.
Außerdem feiern wir die vielen kleinen Erfolge, denn immer wieder gibt es Rückmeldungen von jungen Frauen und Männern, die sich – manchmal mit unseren direkten Unterstützung - gegen den Mainstream entschieden haben und mit Spaß und sehr guten Ergebnissen ihre Ausbildung absolvieren. Da wollen wir gerne weitermachen.