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28.05.2019

„Geschlechterstereotype Erwerbsentscheidungen wirken sich auch auf Rentenzahlungen aus“

Die Deutsche Rentenversicherung Bund gehört zu den großen Playern der Alterssicherung. Der Versicherer trägt dazu bei, Frauen und Männern eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben und damit auch Frauen eine ausreichende Rente zu ermöglichen. Direktor Dr. Stephan Fasshauer stellt im Interview die Aktivitäten vor.

Portraitfoto Dr. Fasshauer

Herr Dr. Fasshauer, können Sie Ihre Einrichtung bitte kurz vorstellen?

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) ist zunächst eine Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung mit rund 23 Millionen Versicherten und gut 11 Millionen gezahlten Renten. Wir haben unseren Hauptsitz in Berlin und zu uns gehören zudem Dienststellen in Brandenburg, Gera, Stralsund und Würzburg sowie 22 Rehazentren in ganz Deutschland.

Gleichzeitig kümmert sich die DRV Bund aber auch um Fragestellungen, die die gesamte Rentenversicherung betreffen. Das schließt unter anderem Öffentlichkeitsarbeit, Forschung und Statistik ein und auch die gemeinsamen Angelegenheiten aller gesetzlichen Rentenversicherungsträgerinnen in ganz Deutschland.

Unsere ganz grundsätzliche Aufgabe ist es, den Versicherten ihre Leistungen zukommen zu lassen, das heißt im Alter oder auch dann, wenn ihre Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist und zum Beispiel eine Rehabilitation nötig ist. Außerdem sichern wir die Hinterbliebenen der Versicherten finanziell ab. Darüber hinaus sorgen wir dafür, dass die Beiträge für den Versicherungsschutz korrekt bezahlt und die Leistungen exakt ausgezahlt werden. Aufgrund unserer großen finanziellen Bedeutung tragen wir damit auch zur Sicherung des sozialen Friedens bei.

In Berlin sind wir eine der größten Arbeitgeberinnen, denn wir haben über 24.600 Beschäftigte, davon rund 73 Prozent weibliche. Diese Verteilung gilt übrigens auch für die Geschäftsführung: 1/3 männlich, verkörpert durch mich, und 2/3 weiblich.

Was hat Sie motiviert, der Initiative Klischeefrei beizutreten?

Ganz klar, wir sind riesig groß, wir haben eine bedeutungsvolle Aufgabe in Deutschland und sehen uns damit in einer Vorbildfunktion. Zudem stehen wir hinter dem Thema, denn alle haben das Recht darauf, gleich behandelt zu werden. Außerdem wissen wir doch wie sehr es sich später auszahlt, wenn man den Beruf gewählt hat, der wirklich zu einem passt. Dann ist Arbeiten kein notwendiges Übel, sondern Teil einer Erfüllung, ein Anker und wenn es gut läuft, eine Freude. Voraussetzung dafür ist, dass man diesen Beruf auch ohne Vorbehalte wählen kann.

Durch den Gleichstellungsplan befassen wir uns schon lange mit der Geschlechterverteilung bei Einkommen, Aufstiegsmöglichkeiten, in den Führungsebenen und auch mit der geschlechtersensiblen Sprache. Mit der Initiative Klischeefrei können wir dieses Engagement sehr sichtbar und progressiv ausbauen.

An Girls'Day und Boys'Day nehmen wir schon länger teil und das wird auch so bleiben, denn auch bei uns überwiegen zum Beispiel in der IT-Abteilung ganz klassisch die Männer. Geschlechterstereotype Erwerbsentscheidungen wirken sich im Übrigen auch auf Rentenzahlungen aus. Der sogenannte Gender Pension Gap ist dafür eine wichtige Kennzahl, die in einer Zusammenarbeit der gesetzlichen Rentenversicherung mit dem Bundesfamilienministerium entwickelt worden ist. Diesen Indikator haben wir gemeinsam auf EU-Ebene eingebracht und inzwischen ist er ein etablierter Bestandteil der Europäischen Gleichstellungsdiskussion. Gleichzeitig sind wir ja auch noch Arbeitgeberin und auch hier wollen dafür sorgen, dass diese spätere Lücke zwischen den Geschlechtern geschlossen wird.

Auf welche Weise setzen Sie sich für eine geschlechtersensible Berufs- und Studienorientierung ein?

Es ist eines unserer strategischen Ziele, die Arbeit unserer Beschäftigten zeitlich und räumlich möglichst flexibel zu gestalten, zum Beispiel durch entsprechende Dienstvereinbarungen, die die Homeoffice-Modalitäten regelt. Und davon profitieren auch unsere Nachwuchskräfte: Haben sie zum Beispiel Familienpflichten, können sie zeitlich flexibel arbeiten und darüber hinaus ermöglichen wir denjenigen eine Ausbildung in Teilzeit. Dann bieten wir Unterstützung an bei der Suche nach Betreuungspersonen für Kinder oder für Angehörige, die pflegebedürftig sind.

Das hört sich zunächst mehr nach „Familienfreundlichkeit“ als nach „Geschlechterneutralität“ an. Tatsächlich sind es aber immer noch überwiegend die Frauen, die sich um all das kümmern und dann weniger arbeiten und schließlich auch weniger Rente erhalten. Zudem gibt es in unserer Gesellschaft noch immer Vorurteile, wenn die Väter diesen Part übernehmen. Die drücken sich beispielsweise in Fragen aus wie „Haben Sie denn keine Frau zu Hause?“ Wir haben inzwischen auch junge Väter, die ihre Ausbildung in Teilzeit absolvieren, um die Familienpflichten übernehmen zu können und 2016 wurden wir im Berliner Landeswettbewerb ausgezeichnet als familienfreundliches Unternehmen.

Unsere Stellenausschreibungen sind geschlechtersensibel formuliert, um explizit alle Geschlechter anzusprechen und darauf achten wir auch in der Bildsprache.

Zurzeit durchlaufen alle unsere Ausbilderinnen und Ausbilder eine Weiterbildung zum Thema Diversity. Sie werden hier auch sensibilisiert für Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, denn es ist wichtig, dass wir uns über unsere Vorurteile und Stereotype bewusst sind, davon haben ja alle Menschen etwas in sich. Aber nur, wenn ich die identifiziere, kann ich auch Handlungsstrategien entwickeln.

Geplant haben wir, das auch auf die Auswahlkommissionen auszuweiten, also auf die, die die Einstellungsgespräche führen und damit ganz am Anfang des beruflichen Weges stehen.

Wir finden es wichtig, dass Menschen den Beruf für sich finden, der zu ihren Stärken passt und der ihnen Erfüllung bringen kann, egal ob sie Mann, Frau oder Menschen, die sich als divers identifizieren, sind.