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28.10.2019

Jugendstudien: Traditionelle Rollenbilder im Trend?

Unterschiede zwischen Ost und West | Einfluss sozialer Medien

In einer Partnerschaft mit Kind sollte die Frau beruflich kürzertreten, nicht der Mann. Diese Ansicht vertritt laut der neuen Shell-Studie eine Mehrheit der Jugendlichen. Gleichzeitig schneiden Mädchen in der Bildung besser ab, engagieren sich stärker gesellschafts- und umweltpolitisch, und junge Männer wollen „aktive Väter“ sein. Wie passt das zusammen?

Gruppe Jugendlicher mit Skateboards und Smartphones

Erstmals wurden für die Shell-Studie Fragen nach künftigen Mutter-Vater-Kind-Verhältnissen gestellt. Mehr als die Hälfte der befragten Jugendlichen sprachen sich dafür aus, dass die Frau in einer Partnerschaft mit Kind beruflich kürzertreten solle. Dabei zeigen sich allerdings große Unterschiede zwischen Ost und West.

Rollenbilder Ost und West

Im Osten sehen laut Shell-Studie nur 38 Prozent der jungen Männer und 31 Prozent der jungen Frauen den Vater als Haupt- oder Alleinversorger, im Westen 58 Prozent der Männer und 56 Prozent der Frauen. Gründe für diese Unterschiede könnten in den unterschiedlichen Erfahrungen mit der Vereinbakeit von Familie und Beruf liegen: In Westdeutschland wurde von Beginn an das „männliche Ernährermodell“ (später das Ernährer-Zuverdiener-Modell über Teilzeitbeschäftigung von Frauen) propagiert und mithilfe von Maßnahmen der Sozial-, Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik verfestigt, von denen noch heute eine Vielzahl bestehen. Genannt sei hier nur das Ehegattensplitting, das bis heute eine geschlechterhierarchische Arbeitsteilung steuerlich fördert. In dieser Zeit verfestigte sich erneut die Aufteilung des Arbeitsmarkts in sogenannte „klassische Frauen- und Männerberufe“. Berufe, in denen mehrheitlich Frauen arbeiteten, wurden weniger wertgeschätzt und werden bis heute entsprechend schlechter vergütet (wie die aktuelle Diskussion um die Aufwertung der Pflegeberufe zeigt).

Im Osten gab es, wie die sozialwissenschaftliche Untersuchung „25 Jahre Deutsche Wiedervereinigung“, herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, belegt, in Sachen Chancen(un)gleichheit durchaus Parallelen zur BRD: Teilzeit- sowie Familien- und Sorgearbeit war Frauensache; der Arbeitsmarkt war auch in der DDR in Frauen- und Männerberufe eingeteilt; und neben der Entgeltungleichheit gab es „gläserne Decken“, die Frauen den Weg in Führungspositionen versperrten. Doch anders als in der BRD wurde in der DDR die Gleichheit der Geschlechter von staatlicher Seite proklamiert. Die Vollerwerbstätigkeit war daher auch für Frauen die Regel und selbst für Mütter selbstverständlich. Unterstützt von einer guten Infrastruktur der Kinderbetreuung waren Frauen mit und ohne Kinder wirtschaftlich unabhängig. Auch wenn die hohe Vollzeitquote von Frauen in erster Linie staatsökonomisch begründet war, weil Frauen schlichtweg als Arbeitskräfte gebraucht wurden, führte dies zu einem anderen Selbstverständnis der Frauen.

Und heute? Die kulturellen Unterschiede von Ost und West wirken bis heute nach und prägen gängige Rollenvorstellungen mit. Auch spielt sicherlich eine Rolle, wie die Jugendlichen Vereinbarkeit von Beruf und Familie persönlich erfahren (haben). So gibt es in Ostdeutschland mehr Betreuungsmöglichkeiten als in Westdeutschland und auch bei der Erwerbstätigkeit von Frauen mit und ohne Kinder hat der Osten die Nase vorn. Zudem ist der Gender Pay Gap im Osten geringer als im Westen, Ost-Männer beteiligen sich mehr am Haushalt als West-Männer, und Ostfrauen wagen sich eher, auch typische „Männerberufe“ zu ergreifen.

Wie wirken Instagram & Co.?

Die Shell-Studie zeigt, dass die befragten Jugendlichen (im Alter von 12 bis 25) das Internet und soziale Medien teilweise sehr intensiv nutzen. Wie der diesjährige Bericht von Plan International Deutschland „Rollenbilder in den sozialen Medien und ihre Auswirkungen auf die Gleichberechtigung“ zeigt, spielen die sozialen Medien eine große Rolle für die Geschlechterbilder junger Menschen (im Alter von 14 bis über 30 Jahre). Je intensiver sie soziale Medien nutzen, desto stereotyper sind ihre Vorstellungen.

Soziale Medien erwecken zwar den Anschein, dass dort Vielfalt und Diversität herrsche. Doch wie die Studien der MaLisa-Stiftung zeigen, werden nicht nur in Film und Fernsehen, sondern auch auf den modernen Kanälen YouTube, Instagram und Co. erstaunlich traditionelle Rollenklischees propagiert.

Jugend zwischen Moderne und Tradition

Fazit: Die Studien zeigen, wie sich Jugendliche zwischen Moderne und Tradition bewegen, und welche Faktoren sie beeinflussen. Sie sind in Bewegung, wollen sich einbringen und sind auf der Suche nach Orientierung. Angebote, die ihnen die Vielfalt ihrer Möglichkeiten frei von einengenden Klischees zeigen, sind wesentlich, um sie auf ihrem jeweils individuellen Weg zu unterstützen. Dafür setzt sich die Initiative Klischeefrei mit ihren Partnerorganisationen ein.