Vaclav Demling
Hintergrund: Warum lohnt sich klischeefreie Berufs- und Studienwahl?
Berufs- und Studienwahl ist in Deutschland stark von Geschlechterklischees geprägt. Das gilt heute genauso wie in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Die Ausbildungs- und Arbeitsmarktzahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Dieser Zustand sollte nicht einfach so hingenommen werden, denn der Status Quo bringt viele Nachteile mit sich. Eine klischeebehaftete Berufs- und Studienwahl wirkt sich negativ für den Einzelnen, für die Gesellschaft und auch für die Wirtschaft aus. Die Initiative Klischeefrei möchte jedoch nicht nur die Probleme einer stereotypen Berufswahl aufzeigen, sondern auch die Vorteile einer Berufsfindung, die ohne Klischees auskommt. Oder anders gefragt: Warum lohnt sich klischeefreie Berufs- und Studienwahl?

Wirtschaft
Klischeefreie Berufswahl lohnt sich, weil sie einen Beitrag zur Sicherung des Fachkräftebedarfs leistet. Zwar gibt es in Deutschland derzeit keinen flächendeckenden Fachkräftemangel, allerdings können in manchen Regionen und Branchen offene Stellen nicht mehr mit geeigneten Fachkräften besetzt werden.
Engpässe bestehen vor allem im MINT-Bereich und in Gesundheitsberufen, also in Berufen, die entweder überwiegend Frauen oder überwiegend Männer ausüben. Nur 16 Prozent aller Stellen in Engpassberufen werden in geschlechtsuntypischen Berufen gemeldet.
Welche Berufe sind konkret betroffen? Zum einen solche, die eine gewerblich-technische Ausbildung voraussetzen. Dazu gehören Mechatroniker/Mechatronikerin, Elektroniker/Elektronikerin oder auch Lokführer/Lokführerin. Zum anderen solche für Spezialisten im Gesundheitsbereich, beispielsweise Altenpfleger/Altenpflegerin oder Gesundheits- und Krankenpfleger/Gesundheits- und Krankenpflegerin.
Der vor allem in männer- und frauendominierten Berufen bestehende Fachkräftemangel hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftlich unerwünschte Folgen. Gesamtwirtschaftlich bleiben Wachstumspotenziale liegen, während Unternehmen unter Umständen Aufträge nicht annehmen können, viel Geld in die Personalgewinnung investieren müssen und im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen geraten.
Die globale Wettbewerbsfähigkeit ist ein wichtiges Argument für eine fundierte Berufswahl. Ein wirtschaftlicher Abschwung wirkt sich nicht nur auf Unternehmen mit Fachkräftemangel aus, sondern auf das Wohlstandsniveau der Gesellschaft insgesamt. Ziel muss also sein, mehr Mädchen und Frauen über MINT-Berufe zu informieren und mehr Jungen und Männer über SAHGE-Berufe (Soziale Arbeit, Haushaltsnahe Dienstleistungen sowie Gesundheits und Erziehungsberufe.). Der Mangel an Fachleuten in gewerblich-technischen und naturwissenschaftlichen Berufen sowie in Erziehungs-, Bildungs-, Gesundheits- und sozialen Berufen kommt die deutsche Wirtschaft teuer zu stehen.
Eine Berufswahl frei von Geschlechterklischees kann helfen, den Fachkräftemangel abzufedern. Der Bedarf an Fachkräften kann neben anderen Maßnahmen dadurch gesichert werden, dass mehr Frauen und Männer für Branchen und Berufe bei der Berufsfindung in Erwägung ziehen, in denen die eigene Geschlechtergruppe noch unterrepräsentiert ist. Dazu ist es aber notwendig, weit vor der Berufsorientierungsphase klischeehafte Rollenzuschreibungen zu vermeiden, denn sind Geschlechterklischees einmal in den Köpfen junger Menschen, lassen sie sich nur noch schwer durch andere Bilder ersetzen.