03.09.2025
Geflüchtete Frauen: großes Potenzial für den Arbeitsmarkt
Zehn Jahre nach der Flucht bestehen große Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Bezug auf ihre Erwerbsbeteiligung
Haben wir es geschafft, die mehr als eine Million Geflüchteten, die 2015 und 2016 nach Deutschland kamen, zu integrieren? Diese Frage wird zehn Jahre nach Angela Merkels berühmtem Satz „Wir schaffen das“ öffentlich diskutiert. Was sagen die Arbeitsmarktdaten dazu?
Wie gut Menschen sich nach ihrer Einwanderung in die neue Gesellschaft integrieren, ist mehrschichtig und hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat einen Aspekt näher untersucht: die Arbeitsmarktbeteiligung von Menschen, die 2015 und 2016 nach Deutschland geflohen sind. In einem aktuellen IAB-Kurzbericht zieht das Institut durchaus ein positives Fazit: Rund 70 Prozent der Schutzsuchenden sind neun Jahre nach ihrer Flucht erwerbstätig. Damit reicht die Erwerbstätigenquote dieser Gruppe fast an den Durchschnitt der Gesamtbevölkerung heran.
Ausgangslage
Dies ist auch deshalb so positiv, weil die Gruppe der Geflüchteten gegenüber anderen Gruppen von Migrantinnen und Migranten zunächst benachteiligt ist. Das IAB beschreibt drei Gruppen von Ursachen für diese Benachteiligung:
- Geflüchtete sind nicht nur schlechter auf ihr Zielland vorbereitet als Migrantinnen und Migranten, die ihre Auswanderung planen, zum Beispiel durch im Vorfeld erworbene Sprachkenntnisse, Geflüchtete tragen außerdem ein höheres Krankheitsrisiko durch die verschiedenen Belastungen von Krieg, Vertreibung, Verfolgung und Flucht.
- Die mitgebrachten Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse sind für den deutschen Arbeitsmarkt vielfach unpassend.
- Die rechtliche Stellung von Asylbewerberinnen und -bewerbern, zum Beispiel Beschäftigungsverbote, unklare Bleibeperspektiven, lange Asylverfahren, Wohnsitzauflagen und Ähnliches, erschweren einen zügigen Einstieg in den Arbeitsmarkt.
Frauen in viel geringerem Umfang erwerbstätig
Betrachtet man die Daten nach Geschlecht, zeigt sich, dass geflüchtete Frauen nicht im gleichen Maße am Erwerbsleben teilnehmen, wie Männer. Während 69 Prozent aller Frauen in Deutschland einer Beschäftigung nachgehen (ohne Selbstständigkeit), sind es unter den geflüchteten Frauen nur 35 Prozent. Auch die Teilzeitquote ist höher als in der Gesamtbevölkerung (49 Prozent zu 66 Prozent).
Mütter arbeiten signifikant weniger als geflüchtete Frauen ohne Kinder, so das IAB. Die Beschäftigungsquote von Frauen ohne Kinder liegt um 19 Prozentpunkte höher, als die von Müttern mit mindestes einem Kind unter sechs Jahren.
Minderjährige Kinder im Haushalt sind aber nur ein Kriterium, das Einfluss auf die Erwerbsbeteiligung nimmt. Es gibt auch strukturelle Faktoren, die Frauen das Arbeiten erschweren. Sie verfügen im Schnitt über niedrigere Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse als Männer. Mitgebrachte Berufserfahrungen konzentrieren sich auf in Deutschland reglementierte Berufe, zum Beispiel im Gesundheits- oder Bildungsbereich. Gleichzeitig fehlt es Frauen an sozialen Netzwerken in Deutschland, die ihnen die Bewältigung ihres Alltags erleichtern könnten.
Zu diesen „Startbedingungen“ kommen im zeitlichen Verlauf schlechtere berufliche Verwertungschancen: Es gelingt Frauen auch mit Ausbildung und Berufserfahrung schlechter als Männern mit vergleichbarer Erfahrung, daraus für sich einen Nutzen auf dem Arbeitsmarkt zu ziehen. Dazu trägt die vielerorts unzureichende Kinderbetreuung bei.
Geschlechtersegregation bei Berufen
Geflüchtete Frauen und Männer konzentrieren sich auf nur wenige Berufe und dies nach Geschlecht getrennt: So finden sich Frauen vor allem in medizinischen und nichtmedizinischen Gesundheitsberufen (26 Prozent), in Handelsberufen (19 Prozent), in Dienstleistungsberufen (13 Prozent) und in Reinigungsberufen (13 Prozent). Männer sind dagegen im Bereich Verkehr und Logistik (24 Prozent), Fertigung (24 Prozent) und Berufen des Lebensmittel- und Gastgewerbes (16 Prozent) tätig. Nur 8 Prozent der geflüchteten Männer arbeiten in Gesundheitsberufen.
In dieser Geschlechterlücke sehen die Forschenden das größte Potenzial für eine Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Geflüchteten. Geschlechtergerechte Integrationsmaßnahmen, die auf die besonderen Bedarfe von Frauen eingehen, könnten aus Sicht der Autorinnen und Autoren dazu beitragen. Da Geflüchtete auch Eltern sind, ist außerdem eine klischeefreie berufliche Orientierung wichtig, um ihren Kindern die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten in Deutschland zu eröffnen.