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16.03.2017

Selbstverwirklichung - eine Frage des Geschlechts?

Neuer Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Männer sind in der Fürsorge- und Pflegearbeit stark unterrepräsentiert. Den Löwenanteil der Sorgearbeit erledigen Frauen, so der aktuelle Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Eine Ursache sind hartnäckige Geschlechterklischees. Genderkompetente Berufsberatung kann hier entgegenwirken.

Klischeefrei: Cartoon zu Kinder oder Karriere

Frauen leisten im Schnitt täglich 52 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer. Dies geht aus dem aktuellen Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hervor. Dieser sogenannte Gender Care Gap verdoppelt sich sogar, wenn Männer und Frauen mit Mitte dreißig Antworten auf zentrale Fragen im Leben finden müssen wie „Wer kümmert sich um die Kinder?“ oder „Wer pflegt die Eltern?“
Doch Fragen wie diese spielen für viele junge Menschen nicht erst in der „Rush Hour des Lebens“ eine Rolle. Schon bei der Berufswahl wird die Vereinbarung von Familie und Beruf mitgedacht. So neigen Frauen viel stärker als Männer dazu, Berufe zu wählen, von denen sie glauben, dass sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen.

Die Vorstellungen über Berufe speisen sich aus tradierten Rollenbildern und Geschlechterklischees. Die Folge: Männer und Frauen wählen überwiegend Berufe, die vom eigenen Geschlecht dominiert sind. 2015 arbeiteten 58 Prozent der erwerbstätigen Männer in einem männerdominierten Beruf wie zum Beispiel Mechatroniker, Maler oder Lackierer. Nur etwa 10 Prozent der Frauen und Männer arbeiteten jeweils in einem vom anderen Geschlecht dominierten Beruf.

Auch das Arbeitszeitmodell spielt eine Rolle: Nur 9 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Männer arbeiten in Teilzeit. Während bei Frauen Teilzeitarbeit nicht nur geduldet, sondern zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf als rollenkonformes Verhalten erwartet wird, gilt für Männer Präsenz am Arbeitsplatz in Rahmen einer 40-Stunden-Vollzeitwoche als Normalfall.

Wie der Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zeigt, hindern „diskriminierende Strukturen auf den Arbeitsmärkten“ sowie die in Gesellschaft, Schule, Familie und Berufsberatung vermittelten Rollenbilder Männer und Frauen, ihre Lebensentwürfe gleichberechtigt zu verwirklichen. Das jeweilige Geschlecht ist davon auf unterschiedliche Weise betroffen: Während das Modell „Männer als Ernährer und Frauen als Sorgende“ Männer davon abhält, an Fürsorge- und Pflegearbeit (privat wie beruflich) teilzuhaben, reduziert es Frauen auf nicht bzw. schlecht bezahlte Sorgearbeit und hält sie fern von Berufsfeldern, die ihnen finanzielle Unabhängigkeit ermöglichen. Hinzu kommt, dass die rollenkonformen Berufsentscheidungen nicht immer den persönlichen Präferenzen und tatsächlichen Fähigkeiten entsprechen.

Doch was tun gegen diese Schieflage? Die Sachverständigenkommission für den Gleichstellungsbericht der Bundesregierung empfiehlt unter anderem Erwerbsarbeit grundsätzlich so zu gestalten, dass Sorgearbeit aller Beschäftigten – egal ob von Männern oder Frauen – mitgedacht ist. Neben der Neubewertung und Aufwertung frauendominierte Berufe rät die Kommission ferner zu einer „genderkompetenten Berufsberatung und -orientierung“, die Männern wie Frauen hilft, Berufe frei von Geschlechterklischees entsprechend ihrer persönlichen Interessen und tatsächlichen Kompetenzen zu wählen.