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14.02.2024

Wie geht es den Pflegekräften?

BARMER-Pflegestudie 2.0

Knapp ein Drittel der jungen Pflegekräfte in Deutschland hat im vergangenen Jahr darüber nachgedacht, den Beruf aufzugeben. Mögliche Gründe: hohe Belastungen, Druck und ökonomische Zwänge. Das geht aus einer aktuellen Pflegestudie der BARMER und des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) hervor. Wie nehmen Pflegekräfte die Belastungen wahr? Gibt es hier Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Pflegekräften?

Wie geht es den Pflegekräften?

Die Arbeit im Pflegebereich ist sehr belastend, körperlich wie psychisch. Dabei haben sich die beruflichen Anforderungen und Arbeitsbedingungen bei Pflegekräften nicht erst durch die Corona-Pandemie deutlich verschlechtert: Zeitmangel, Schichtbetrieb und mangelnde Wertschätzung führen zu erhöhten physischen und psychischen Druck. Das gesundheitliche Wohlbefinden ist im Pflegeberuf immens wichtig, damit Beschäftigte zufrieden sind und im Betrieb verbleiben. Gemeinsam mit dem Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) hat die BARMER im Juli 2023 ambulante und stationäre Pflegekräfte zu ihrer aktuellen Arbeitssituation befragt und mit Ergebnissen aus dem Jahr 2022 verglichen.

Hier finden Sie die wichtigsten Erkenntnisse – mit Hinweisen auf signifikante Unterschiede im Antwortverhalten von Männern und Frauen (Die Stichprobe besteht zu 78.3% aus weiblichen und zu 21.6% aus männlichen Pflegekräften. Dies entspricht in etwa der tatsächlichen geschlechterspezifischen Verteilung im Pflegebereich in Deutschland.) 

1. Arbeitszufriedenheit

Etwa die Hälfte der Pflegekräfte zeigt sich insgesamt (sehr) zufrieden: Jede zweite Pflegekraft (51.6%) ist insgesamt zufrieden oder sehr zufrieden mit der Arbeitssituation. Ein ähnlich hoher Anteil ist dies auch mit den Berufsperspektiven (60.2%), dem Lohn bzw. Gehalt (42.6%), den körperlichen Arbeitsbedingungen (44.7%) oder der Führung (54.4%). Die Arbeitszufriedenheit hat demnach nach einem starken Abfall mit der Pandemie wieder zugenommen. Hier hat sich gezeigt, dass männliche Pflegekräfte (63.3%) häufiger (sehr) zufrieden mit ihrer Gesamtarbeitssituation sind als weibliche (48.5%). 

Männliche Pflegekräfte (55.5%) haben signifikant häufiger angegeben, dass sie (sehr) zufrieden mit ihren körperlichen Arbeitsbedingungen sind als deren weiblichen Kolleginnen (41.9 %). Zudem zeigen sich signifikante Unterschiede hinsichtlich des Tätigkeitsbereichs: Pflegekräfte aus einem Funktionsbereich (26.3%) sind häufiger sehr zufrieden mit ihren körperlichen Arbeitsbedingungen als diejenigen, die auf einer Station (9.6%) arbeiten.

2. Quantitative Anforderungen

Arbeiten unter Zeitdruck und regelmäßige Überstunden sind weiterhin weit verbreitet: Über die Hälfte der Pflegekräfte (53.3%) hat oft oder häufig nicht genügend Zeit, alle Aufgaben zu erledigen. Während des Lockdowns 2022 lag dieser Anteil bei 52.9% – es zeigt sich demnach keine Verbesserung der Situation. Ein ähnlicher Verlauf wird bei der Häufigkeit von Überstunden beobachtet. Zudem geben zwei Drittel (66.0%) der Pflegekräfte an, oft oder immer schnell arbeiten zu müssen – dieser Anteil ist seit dem Lockdown 2022 (48.0%) sogar weiter gestiegen. Einen signifikanten Unterschied gibt es im Antwortverhalten bei den Geschlechtern: Männliche Pflegekräfte (9.6%) berichten signifikant häufiger als ihre weiblichen Kolleginnen (6.0%), nie oder selten sehr schnell zu arbeiten.

3. Pausenverhalten

Pflegekräfte können immer seltener regelmäßige Pauseneinlegen: Fast die Hälfte (43.6%) der Pflegekräfte gibt an, dass sie selten oder nie regelmäßige Pausen einlegen können – nur 26.0% der Befragten können dies oft oder immer umsetzen. Während dieser Anteil vor der Pandemie noch bei 41.2% lag, ist er während des Lockdowns 2022 auf 33.7% gesunken. Im Sommer 2023 ist eine weitere Verschlechterung der Situation zu erkennen. Auch die Selbstbestimmung von Pausenzeiten nimmt weiter ab.

4. Gesundheitszustand

Der subjektive Gesundheitszustand der Pflegekräfte hat sich seit dem Lockdown 2022 verbessert – Beschwerden liegen vor allem in der Nacken- und unteren Rückenregion: Im Sommer 2023 berichten 64.0% der befragten Pflegekräfte von einem (sehr) guten subjektiven Gesundheitszustand. Während des Lockdowns 2022 lag dieser Anteil noch bei 45.9% - vor der Pandemie dagegen bei 73.9%. Lediglich 13.7% bzw. 11.2% der befragten Pflegekräfte leiden nie an Schmerzen im Nacken oder unteren Rücken. Schmerzen in der Hand spielen eine untergeordnete Rolle. Bei den Rückenschmerzen zeigen sich signifikante Unterschiede hinsichtlich des Geschlechts Weibliche Pflegekräfte (14.9%) geben häufiger als männliche Pflegekräfte (7.6%) an, jeden Tag an Rückenschmerzen zu leiden.

5. Burnout

Anteil körperlich und emotional erschöpfter Pflegekräfte nach wie vor hoch: Fast zwei Drittel (62.3%) der Pflegekräfte sind oft oder immer körperlich erschöpft. Nachdem dieser Anteil während des Lockdowns 2022 von 43.2% (vor der Pandemie) auf 69.5% gestiegen ist, zeigt sich im Sommer 2023 nur ein leichter Rückgang. Jede zweite (51.8%) Pflegekraft gibt zudem an, oft bzw. immer emotional erschöpft zu sein – auch hier zeigt sich nur eine leichte Verbesserung seit der Pandemie. Weibliche Pflegekräfte (64.4%) schildern signifikant häufiger als ihre männlichen Kollegen (54.6%), oft bzw. immer körperlich erschöpft zu sein.

6. Innere Kündigung

Innere Kündigung ist präsent wie nie: Im Sommer 2023 denkt mehr als ein Drittel (38.6%) der Pflegekräfte darüber nach, den Beruf aufzugeben. Zwar zeigt sich ein leichter Rückgang gegen[1]über dem Lockdown 2022 (43.2%), dennoch liegt der Anteil im Sommer 2023 noch deutlich über dem vorpandemischen Niveau (19.8%). Zudem empfinden fast drei von zehn Pflegekräften (28.1%) ein schwaches Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer Organisation – ältere Pflegekräfte eher als jüngere.

7. Schlafverhalten

Pflegekräfte schlafen seit der Pandemie länger, die Schlafqualität zeigt jedoch keine Verbesserung: Der Anteil der Pflegekräfte, die mindestens sieben Stunden schlafen, ist seit dem Lockdown 2022 von 14.5% auf 19.6% gestiegen. Am häufigsten schlafen Pflegekräfte aktuell jedoch fünf bis sechs Stunden (55.5%). Dabei geben nur 30.3% der befragten Pflegekräfte an, meistens oder immer durchschlafen zu können. Vor der Pandemie lag dieser Anteil noch bei 42.0%, während des Lockdowns 2022 bei 31.0%. Dabei geben weibliche Pflegekräfte häufiger als ihre männlichen Kollegen an, immer Durchschlafprobleme zu haben. Die Einbußen der Schlafqualität haben Folgen: Lediglich ein Viertel (24.0%) der befragten Pflegekräfte fühlt sich meistens oder immer voll leistungsfähig. Vor der Pandemie lag dieser Anteil noch bei 65.2%.

8. Präsentismus

Präsentismusverhalten ist leicht angestiegen: Im Sommer 2023 erscheinen vier von zehn Pflegekräfteen (40.1%) häufig oder sehr häufig trotz Krankheit am Arbeitsplatz. Vor der Pandemie lag dieser Anteil noch bei 33.6%, während des Lockdowns 2022 wuchs er auf 36.4%. Auch der Anteil der Pflegekräfte, die trotz schwerer Krankheitssymptome arbeiten, hat sich leicht vergrößert: Im Sommer 2023 liegt dieser Anteil bei 22.1%, vor der Pandemie bei 15.4% und während des Lockdowns 2022 bei 16.8%. Hierbei zeigen männliche Pflegekräfte signifikant seltener Präsentismusverhalten als ihre weiblichen Kolleginnen. (30.9% der männlichen Pflegekräfte arbeiten nie oder selten krank, das gleiche geben 24.1% der weiblichen Pflegekräfte an. )Zudem arbeiten ambulante Pflegekräfte häufiger als Beschäftigte aus dem stationären Versorgungsbereich trotz schwerer Krankheitssymptome.

9. Kognitive Stresssymptome

Kognitive Stresssymptome äußern sich vor allem in Konzentrationsproblemen und Schwierigkeiten bei der Erinnerung: Drei von zehn Pflegekräften (29.1%) leiden oft oder immer unter Konzentrationsproblemen. Auch regelmäßige Schwierigkeiten bei der Erinnerung werden häufig berichtet (24.5%). Dagegen gibt rund die Hälfte der Befragten an, nie oder selten Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung (51.0%) oder klarem Denken (48.1%) zu haben. Pflegekräfte bis 29 Jahre berichten dabei häufiger als ihre älteren Kolleginnen und Kollegen von Problemen bei der Entscheidungsfindung.

Weibliche Pflegekräfte (30.3%) erklären signifikant häufiger als männliche (24.8%), immer oder oft unter Konzentrationsproblemen zu leiden.

10. Coolout

Vier von zehn Pflegekräften akzeptieren moralische Konfliktsituation: Nur die Hälfte der Pflegekräfte (49.2%) berichtete davon, den eigenen Ansprüchen an eine gute Pflege oder den individuellen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten (51.2%) gerecht zu werden. Zwei Drittel (64.5%) erleben in ihrem Alltag einen Konflikt, den individuellen Bedürfnissen und den Stationsabläufen gerecht zu werden. Vier von zehn (41.6%) Pflegekräften kommen hierbei zu einer Akzeptanz dieser Konfliktsituation. Männliche Pflegekräfte geben dabei häufiger als weibliche Beschäftigte an, zu dieser Akzeptanz gekommen zu sein. Weibliche Pflegekräfte (22.5%) geben häufiger als männliche Beschäftigte (12.0%) an, nie oder selten den eigenen Ansprüchen an eine gute Pflege gerecht zu werden.

11. Wertschätzung

Nur jede fünfte Pflegekraft erhält ein (sehr) hohes Maß an Wertschätzung: Etwa jede fünfte Pflegekraft (23.8%) erhält in einem hohen oder sehr hohen Maß Wertschätzung durch das Management oder die Führung. Weibliche Pflegekräfte berichten, in geringerem Maße Wertschätzung als ihre männlichen Kollegen zu erfahren. 45.6% der weiblichen Pflegekräfte erfahren Wertschätzung in (sehr) geringem Maß, das Gleiche geben 30.4% der männlichen Pflegekräfte an. Ambulante Pflegekräfte erfahren dabei häufiger als Pflegekräfte aus der stationären Versorgung in einem (sehr) hohen Maß Wertschätzung.

12. Bedeutung der Arbeit

Acht von zehn Pflegekräften empfinden ihre Arbeit als sinnvoll und wichtig: Acht von zehn Pflegekräften sagen aus, dass sie die eigene Arbeit in einem (sehr) hohen Maße als sinnvoll (79.1%) bzw. wichtig (79.3%) einordnen. Innerhalb der Tätigkeitsbereiche zeigt sich hierbei, dass Pflegekräfte aus einem Funktionsbereich am häufigsten ihre Arbeit in einem (sehr) geringem Maße als sinnhaft einordnen. Auch das Alter spielt eine Rolle: Pflegekräfte bis 29 Jahre geben häufiger als ihrer älteren Kolleginnen und Kollegen an, dass sie die eigene Arbeit in (sehr) hohem Maße als wichtig empfinden. Auch bei der Geschlechtszugehörigkeit zeigen sich große Unterschiede: Weibliche Pflegekräfte (82.5%) erklären signifikant häufiger als männliche (67.4%), dass sie ihre Arbeit in einem (sehr) hohen Maße als wichtig ansehen.

13. Führungsverhalten

Weniger als ein Drittel der Pflegekräfte ist mit ihrer Führung zufrieden: Drei von zehn Pflegekräften sind zufrieden damit, in welchem Maße deren Führungskraft für Entwicklungsmöglichkeiten sorgt (27.0%), die Arbeitszufriedenheit beachtet (29.5%), die Arbeit plant (30.03%) oder Konflikte löst (30.2%). Hierbei haben ambulante Pflegekräfte häufiger eine hohe Zufriedenheit mit der Führungsqualität als Pflegekräfte aus dem stationären Versorgungsbereich angegeben.

14. Feedback

Pflegekräfte erhalten vom Team häufiger Feedback als von Führungskräften: Etwa ein Viertel (28.3%) der Pflegekräfte erhält oft oder immer Feedback von Führungskräften zur ihrer Arbeitsqualität – von Kollegen und Kolleginnen erhalten dies 38.9% der Pflegekräfte. Dabei erhalten männliche Pflegekräfte häufiger als weibliche Beschäftigte Feedback von der Führungskraft. Ambulante Pflegekräfte erhalten zudem häufiger Feedback von deren Team als Pflegekräfte aus der stationären Versorgung.

15. Kompetenzen bei Digitalisierung und Technikeinsatz

Viele Pflegekräfte fühlen sich technischen Schwierigkeiten gewachsen und nehmen den Technikeinsatz durchaus positiv wahr: Rund zwei Drittel (64.1%) der befragten Pflegekräfte bestätigen, dass sie sich in schwierigen Situationen mit Technologien auf die eigenen Fähigkeiten verlassen können. Hier geben stationäre Pflegekräfte häufiger als jene aus dem ambulanten Versorgungsbereich an, die meisten technischen Probleme aus eigener Kraft meistern zu können.

Das Geschlecht scheint auch hier einen Einfluss auf das Antwortverhalten zu haben: mehr männliche Pflegekräfte als weibliche Beschäftigte geben an, dass sie sich in schwierigen Situationen auf ihre eigenen Fähigkeiten verlassen können (ziemlich/voll zutreffend: 71.6% vs. 61.8%).

Zudem nehmen Pflegekräfte den Technikeinsatz in allen Einsatzfeldern eher positiv wahr. Besonders im Bereich des Monitorings scheint der Einsatz von Technik mit Vorteilen verbunden zu sein.

Quelle: Pressemitteilung der BARMER vom 31.01.2024 und Studie

Informationen zur Studie

Im Zeitraum vom 01.06.2023 bis 30.06.2023 wurden in Deutschland tätige Pflegekräfte aus Online-Access-Panels rekrutiert und erneut zu beruflichen Belastungen und Ressourcen in ihrem Arbeitsalltag befragt. Dabei wurde auf einen der größten Panelanbieter weltweit zurückgegriffen, der einen Pool an Befragungsteilnehmenden zur Verfügung stellt. Ergänzt wurden einige Daten und Erkenntnisse aus der gleichen Studienreihe aus dem Jahr 2022. 

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