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„Wenn ich weiß, wer ich bin, kann ich jeden Beruf machen“

Kaldun Abdallah, angehender Gesundheits- und Krankenpfleger

Kaldun Abdallah lebt in zwei Welten: In der einen ist er begeisterter Kampfsportler, Welt- und Europameister im Superhalbschwergewicht. In der anderen ist er engagierter Gesundheits- und Krankenpflegeschüler. Passt das zusammen? Und ob, findet Kaldun!

„Wenn ich weiß, wer ich bin, kann ich jeden Beruf machen“

Kalduns Geschichte zeigt, wie der Weg zu sich selbst den Weg in den Beruf ebnen kann. „Ich muss immer wissen, wer ich bin“, sagt er. „Wenn ich weiß, wer ich bin und was ich kann, dann kann ich jeden Beruf machen.“ Der Sport hatte einen großen Anteil an dieser Erkenntnis, er war Lehrmeister ebenso wie motivierender Begleiter. Kaldun, 23 Jahre alt, Thaibox-Champion mit Abitur aus Herten im Ruhrgebiet, weiß heute genau, wer er ist und was er kann.

Zunächst drohte Kalduns Leben jedoch aus der Bahn zu geraten, noch bevor es richtig losging. Er besuchte die Hauptschule und fiel dort vor allem als zur Aggression neigender Schulschwänzer auf. Niemand glaubte, dass er den Abschluss schaffen würde. Schließlich wurde er für drei Tage der Schule verwiesen. Ein heilsamer Schock, wie sich herausstellte. Denn zu Hause musste Kaldun die große Enttäuschung seiner Mutter aushalten – gar nicht einfach für ihn. „Meine Mama war traurig, das hat mich zum Nachdenken gebracht“, erzählt er. „Ich wollte es jetzt besser machen, ich wollte meine Familie stolz machen.“ Kaldun setzte sich auf die Hinterbeine, und tatsächlich, mit Ach und Krach schaffte er seinen Hauptschulabschluss.

Kaldun hatte Feuer gefangen. „Ich wollte kein Schulversager mehr sein, ich wollte etwas aus meinem Leben machen und ich wollte es allen zeigen“, beschreibt er seine Situation. Auf die Hauptschule folgte der Realschulabschluss an einer Fachoberschule und danach das Abitur am Kuniberg Berufskolleg in Recklinghausen – gegen alle Zweifel seiner Freunde und seiner früheren Lehrerinnen und Lehrer. Seine Familie war stolz und glücklich!

Schon früh interessierte sich Kaldun für den Kampfsport. Mit neun hatte er mit Thaiboxen angefangen und daraus im Laufe der Zeit Selbstvertrauen und Motivation bezogen. Im Sport erlebte Kaldun, dass er etwas erreichen konnte, wenn er sich nur genug anstrengte. Gleichzeitig lernte er eine professionelle Haltung, Fleiß, Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen. Während andere Jugendliche gemeinsam abhingen oder feiern gingen, trainierte Kaldun. Er gewann fast alle seiner Kämpfe und machte sich dadurch einen Namen als erfolgreicher Fighter. Ein Jahr vor dem Abitur kam sein sportlicher Durchbruch: Kaldun erhielt das Angebot, in Rotterdam um den Europameister-Titel des Verbandes IKBO zu boxen – und gewann. Im Jahr darauf folgte der WCTS-Weltmeistertitel. Die Hertener Allgemeine und weitere Medien berichteten über ihn und verhalfen ihm zu regionaler Bekanntheit. Unterstützung erhielt Kaldun besonders von seiner Klassenlehrerin am Berufskolleg. Sie motivierte ihn, Sport und Abi gleichermaßen weiter zu verfolgen, hatte immer ein offenes Ohr für ihn. „Manchmal hat sie mir auch hinten rein getreten“, sagt er schmunzelnd.

Nach dem Abitur wollte Kaldun Polizist werden, doch er verfehlte knapp die notwendige Punktzahl im Auswahlverfahren. Genauso erging es ihm mit dem Justizvollzugsdienst, seiner zweiten Wahl. Vom Kampfsport leben konnte er nicht, es musste also ein guter und zukunftssicherer Beruf her. Eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann war ebenfalls in der engeren Wahl, doch Kalduns Freundin, zu der Zeit noch in der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin, hatte eine bessere Idee: „Mach doch mal ein Praktikum im Altenheim“, schlug sie vor. „Ich in die Pflege?” Kaldun zweifelte zunächst. Doch tatsächlich gefiel ihm die Arbeit im Altenheim. Kurzerhand entschied er sich für eine Pflegeausbildung – allerdings im Krankenhaus. Im Klinikum Vest in Recklinghausen fand er seinen Ausbildungsplatz.

Der Start im Pflegeberuf war hart. Seine erste Station war die Geriatrie, wo er viele demenziell Erkrankte erlebte. Der Umgang mit ihnen fiel ihm schwer. Kaldun überkamen Zweifel, ob dieser Beruf wirklich der richtige für ihn wäre. Seine Freundin blieb dabei: Sie war sich sicher, dass er weitermachen sollte und behielt Recht. „Nach drei Wochen hatte ich mich richtig in die Patienten und in den Job verliebt!“ schwärmt er. „Es ist wie im Sport: Man muss professionell rangehen.“

Überhaupt hat Kaldun viele Parallelen zwischen Kampfsport und Pflegeberuf entdeckt: das hohe Maß an Professionalität und eine gewisse innere Distanz bei gleichzeitig viel Herzblut und Gefühl. Eine besondere Rolle bei der Berufswahl spielte schließlich sein herzkranker Vater. 2014 lag er mit Komplikationen nach einer Operation fast im Sterben. Als es ihm sehr schlecht ging, bat er seinen Sohn, bei ihm zu übernachten. Für den jugendlichen Kaldun war es Ehre und Herausforderung zugleich, die Nacht mit seinem todkranken Vater zu verbringen. Nachts half er dem Vater auf den Toilettenstuhl und merkte, dass er mit einer so intimen Situation zurechtkam. Heute sind die Fachkräfte dieser Station seine großen Vorbilder: Kaldun wünscht sich, dass seine Patientinnen und Patienten ihn in ebenso guter Erinnerung behalten wie der wieder genesene Vater seine damaligen Pflegerinnen.

Nach seiner Ausbildung will Kaldun sich weiterbilden zum Fachkrankenpfleger. Die Richtung steht noch nicht ganz fest, Anästhesie kann er sich ebenso vorstellen wie Psychiatrie oder Forensik. Eine seiner nächsten Stationen wird die Forensik sein, für ihn ein spannendes medizinisches Gebiet. „In der Pflege gibt es gute Chancen“, beschreibt Kaldun die vielfältigen Möglichkeiten dieses Berufsfeldes. „Man kann sich weiterbilden in einem bestimmten Fach, man kann Pflegedienstleitung werden. Es gibt auch Bereiche wie die Forensik, da ist es ganz gut, wenn auch ein Mann unter den Pflegekräften ist, weil die Patienten manchmal aggressiv werden.“

Wie ist das für ihn als einer von wenigen Männern unter vielen Frauen? Kaldun hat damit keine Probleme. „Die Frauen sagen: Ah, ein Mann kommt! Auch die Patienten sagen das manchmal. Die freuen sich eher, als dass sie das komisch finden“, sagt er. „Manche wollen ja auch lieber von einem Mann gewaschen werden, dann machen wir das möglich.“ Nur die Gynäkologie ist für ihn wirklich eine Frauendomäne, da habe ein Mann nichts zu suchen: „Das sind diese Frauenthemen. Und die Patientinnen da wollen meistens auch lieber von einer Frau gepflegt werden, da hatte ich nicht so viel zu tun.“

Auf seinem Instagram-Account @kaldun_abdallah wird er immer wieder gefragt, wie er denn in die Pflege gehen konnte, das sei doch kein Beruf für einen Mann. „Doch!“, widerspricht Kaldun. „Ich bekomme Anfragen, da sagen die Jungs, hey, ich würde auch gerne in die Pflege gehen, aber meine Kumpels sagen, das ist was für Schwule. Da sage ich: Du machst das für dich und nicht für deine Freunde. Das muss man klar haben. Dann kann jeder den Beruf machen, den er will.“

Wer Gesundheits- und Krankenpfleger werden will, sollte aus Kalduns Sicht Menschen mögen und Wert auf einen guten Umgang miteinander legen. Es sei auch wichtig, eine gewisse emotionale Distanz halten zu können, um Belastendes nicht mit nach Hause zu nehmen. Trotzdem sollten Pflegekräfte in der Lage sein, mit Liebe und Zuneigung in den Job zu gehen. „Du musst das Herz auf dem rechten Fleck haben“, sagt Kaldun. Wichtig sei es auch, gut kommunizieren zu können, gegenüber den Patientinnen und Patienten ebenso wie innerhalb des Teams, denn Teamfähigkeit und Flexibilität seien sehr wichtig – wieder eine Parallele zum Kampfsport. Auch hier müsse man sehr flexibel auf Termine reagieren und gut im Team arbeiten können.

Kaldun engagiert sich für das Klinikum Vest als Botschafter und versucht, mehr junge Männer für die Pflege zu begeistern. Für viele ist er schon jetzt ein großes Vorbild.

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