„In der Zeit habe ich so eine Freude gehabt, wie noch nie“
Bruno Kaut, angehender Grundschullehrer
Das Lehramt an Grundschulen ist ein sogenannter Engpassberuf. Freie Stellen bleiben oft unbesetzt, Ausfälle zum Beispiel wegen Elternzeit können kaum aufgefangen werden. Ein Problem für Kinder, Kollegien und Eltern, ein Glück aber für Bruno Kaut. Dank des Lehrermangels fand er seinen Traumberuf.
Bruno Kaut gehört zu den entspannteren Menschen. Geduld, das wird er später betonen, sei eine ganz wesentliche Eigenschaft, die man für das Grundschullehramt mitbringen müsse. Jetzt braucht es zunächst Flexibilität, denn der für das Interview ausgewählte Raum wird von der Hausaufgabenbetreuung gebraucht, ebenso der nächste. Schließlich kann es aber losgehen.
Der 27-Jährige Bonner studiert im ersten Semester für das Lehramt an Grundschulen. Das überrascht, denn eigentlich unterrichtet er bereits seit eineinhalb Jahren. Seine jetzige Schule ist die zweite, er sucht gerade nach einem Anschlussvertrag. Dass es einmal so kommen würde, lag zuerst gar nicht im Rahmen seiner Vorstellungwelt. „Ich wollte nie Lehrer werden, und gerade die Grundschule hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm“, erzählt er. Nach dem Abitur begann er stattdessen ein Studium der Volkswirtschaftslehre in Freiburg. Mathe machte ihm zwar Spaß, aber das Studium insgesamt langweilte ihn eher und passte nicht recht zu ihm, wie er schnell feststellte. Bruno Kaut suchte eine Alternative, wechselte nach zwei Semestern zu Geschichte und Skandinavistik und schloss sein Studium mit dem Bachelor ab. Er überlegte, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen und zog für die Vorbereitung auf den Master zurück in seine rheinische Heimat.
Doch es kam anders. Eine Freundin, selbst Grundschullehrerin, überzeugte Bruno, sich auf eine zweimonatige Vertretungsstelle an ihrer Schule zu bewerben. Wegen Elternzeiten von Kolleginnen herrschte dort gerade akuter Personalmangel. Da er im Studium schon als Tutor Lehrerfahrung gesammelt hatte und er etwas Geld gebrauchen konnte, bewarb er sich – und wurde genommen.
Der Aushilfsjob erwies sich zunächst als Grenzerfahrung: Plötzlich einer Gruppe lebhafter 8-Jähriger die Grundrechenarten nahezubringen war etwas ganz anderes als ein Tutorium mit Studierenden zu leiten. Die Klassenführung überforderte ihn ebenso wie die Denkweise von Grundschulkindern: Wie erklärt man Mathe oder Englisch so, dass Kinder es verstehen? Welche Kniffe helfen dabei, Chaos im Kunstunterricht zu verhindern? Das Kollegium und vor allem die Schulleiterin unterstützten Bruno sehr und halfen mit praktischen Tipps. Die wachsende Praxiserfahrung tat ein Übriges. Bruno wurde sicherer und erlebte einen nie geahnten Spaß an seiner neuen Tätigkeit. „In der Zeit habe ich so eine Freude gehabt wie noch nie“, sagt er. Er erfuhr in diesen zwei Monaten so viel Zuspruch und Wertschätzung und erlebte das Kollegium als ein so tolles Team, dass er seinen Vertretungsvertrag zweimal verlängerte.
Die Freude führte aber nicht automatisch zur beruflichen Neuausrichtung. Es dauerte fast ein halbes Jahr, bis Bruno Kaut für sich selbst erkannte, dass er wirklich Grundschullehrer werden und noch einmal studieren wollte. Er wechselte die Schule, und auch hier empfand er die Arbeit als unglaublich befriedigend und das Team als unterstützend. Da war er sich sicher: zum Sommersemester 2021 würde er als Lehramtsstudent zurück an die Uni gehen. Nebenbei arbeitete er weiter, erhielt sogar die Chance, mit einer Kollegin zusammen die Leitung einer dritten Klasse zu übernehmen – wieder eine Elternzeitvertretung.
An der Grundschule gefallen ihm viele Dinge: mit den Kindern zu arbeiten und dann auch Lernerfolge zu erleben, Kinder dabei zu unterstützen, sich in einem Fach zu verbessern, vor einer Klasse zu stehen und „das Ganze wie eine Bühne zu sehen“, die Möglichkeit zu haben, mit den Kindern Späße zu machen und sich selbst nicht so ernst zu nehmen. „Das geht so nur an der Grundschule“, ist er überzeugt. Als Vorbilder nennt er insbesondere einen Kollegen an seiner ersten Schule, von dem Bruno Kaut vieles gelernt hat. „Der Kollege hat für jedes Kind eine besondere Art des Umgangs, er versucht, auf jedes Kind nach dessen Bedürfnissen einzugehen. Das versuche ich auch zu übernehmen.“
Seine Kommilitoninnen sind überwiegend Frauen, damit wie auch mit den überwiegend weiblich besetzten Kollegien hat Bruno Kaut keine Probleme. „Die Kolleginnen in der Schule freuen sich eher, sagen, mal endlich wieder ein Mann“, erzählt er schmunzelnd. „An der Uni gucken die Leute manchmal überrascht.“ Er hat sich einen selbstbewussten Umgang mit diesen Reaktionen angewöhnt und will sich nicht rechtfertigen. Bruno betrachtet die Reaktionen eher mit Humor. Es macht ihm sichtlich Spaß, im Zweifel auch mal zu irritieren.
Wesentlich für die Ausübung des Berufs ist aus Bruno Kauts Sicht, Kinder zu mögen und die schon erwähnte Geduld mitzubringen. Für den Unterricht sei es wichtig, Vertrauen zu schaffen und mit den Kindern eine Beziehung aufzubauen. Man müsse ein Gespür dafür entwickeln, wie die einzelnen Kinder ticken und diese Erkenntnisse in den Unterricht einbauen. „Das ist noch eine Herausforderung, da den Überblick zu behalten und die Kinder entsprechend zu fördern“, sagt er.
Brunos Eltern und seine Freunde unterstützen ihn in seinem neuen Berufswunsch. Die häufigste Frage im Bekanntenkreis lautet dennoch, warum Grundschule? Warum nicht einfach ein zweites Fach studieren und ans Gymnasium gehen? Aus Brunos Sicht schwingen bei der Frage durchaus Klischees mit. Er glaubt, dass Frauen dies nicht gefragt würden. „Mir ist es aber wichtig, dass mir mein Beruf wirklich Freude macht und dass ich ihn gerne ausübe“, erklärt Bruno, „und das ist eben das Unterrichten an der Grundschule, auch wenn ich dort weniger verdiene oder weniger Beförderungsmöglichkeiten habe als am Gymnasium.“
Männern, die diesen Beruf ergreifen wollen, rät er, sich innerlich klar FÜR den Beruf zu entscheiden und ihn dann mit Selbstbewusstsein anzustreben und auszuüben. „Gerade dieser Beruf, der funktioniert nur, wenn man das wirklich machen will.“ Interessierte, Männer wie Frauen, sollten Gelegenheiten zum Ausprobieren finden. Das Studium selbst sei eher theoretisch, es helfe, vorher praktische Erfahrungen zu sammeln.
Mit seinem Schwenk im Lebenslauf ist Bruno nicht alleine: Ein Freund macht gerade eine Ausbildung zum Koch, nach seinem Chemiestudium.