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„Lkw-Fahren müsste auch Mädchen in der Berufsberatung vorgeschlagen werden“

Lara Groß, Berufskraftfahrerin und Lkw-Fahrlehrerin

Von der Kita zum Truck – diesen für Frauen noch ungewöhnlichen Berufsweg ging Lara Groß. Was die gelernte Erzieherin zum Lkw-Fahren und schließlich zur Ausbildung künftiger Berufskraftfahrerinnen und -fahrer brachte, hat sie klischee-frei.de erzählt.

„Lkw-Fahren müsste auch Mädchen in der Berufsberatung vorgeschlagen werden“

Lara Groß strahlt begeistert, wenn sie von ihrem Beruf erzählt. Millionen von Menschen konnten das Anfang Januar im Fernsehen verfolgen, als Lara bei „Wer wird Millionär“ nicht nur einen ordentlichen Gewinn abräumte, sondern auch Günther Jauch mit ihrer Berufswahl erstaunte. Lara Groß ist Berufskraftfahrerin und Lkw-Fahrlehrerin. Mittlerweile ist sie im Ruhrgebiet, ihrer Heimat, eine kleine Berühmtheit. Neben der Hertener Allgemeinen berichtete zuletzt auch der WDR über sie und ihren ungewöhnlichen Beruf. Dabei macht sie nur, was ihr die größte Freude bereitet: Lkw fahren und andere darin ausbilden. 

„Ich kann schwer beschreiben, was mich an den Lkw so fasziniert“, sagt Lara Groß. „Ich will einfach nur fahren.“ Insbesondere die Großen haben es ihr angetan. „Je größer, desto besser!“, grinst sie. Seit 2018 arbeitet die 29-jährige Hertenerin als Fahrlehrerin und bildet unter anderem auch Berufskraftfahrerinnen und -fahrer aus. Es könnten ruhig ein paar Frauen mehr kommen, findet Lara, denn die Möglichkeiten als Lkw-Fahrerin seien vielfältig und die Arbeit würde nie langweilig. 

„Es gibt keine familiäre Vorbelastung“, entgegnet Lara auf die Frage, woher ihr Berufswunsch rührt. Ein Onkel sei zwar mal Berufskraftfahrer gewesen, ihre Eltern hätten aber ganz andere Berufe. Mit 16 steuerte Lara auf ihren Realschulabschluss zu und wusste überhaupt nicht, was sie einmal machen wollte. Ihre Eltern empfahlen ihr, Abitur oder mindestens Fachabitur zu machen, ein Vorschlag, den Lara mangels Alternativen aufgriff. Sie entschied sich für das Fachabitur an einem Berufskolleg und bewarb sich sowohl bei einer Schule mit erziehungswissenschaftlichem als auch bei einer mit technischem Schwerpunkt. „Ich hatte eine Zusage von beiden“, berichtet Lara. Schließlich gab sie der erziehungswissenschaftlich ausgerichtete Schule den Zuschlag. Die verlängerte Schulzeit brachte ihr jedoch keine Klarheit in Sachen Berufswahl. „In der Berufsberatung wurden mir vor allem klassische Berufe für Frauen vorgeschlagen“, bedauert sie rückwirkend. Und meine Eltern rieten mir am Ende zur Erzieherinnenausbildung, das war ja auch naheliegend, und ich mag Kinder“, beschreibt Lara ihren ersten Berufsorientierungsprozess. 

Doch in der Ausbildung merkte Lara Groß schnell, dass der Beruf nicht zu ihr passte. Ihr Anerkennungsjahr absolvierte sie in einer U-3-Gruppe, aber die Arbeit in der Kita erfüllte sie nicht. Zum Glück gab es da noch Laras Ehrenamt. Sie engagiert sich seit ihrem 19. Lebensjahr beim Technischen Hilfswerk (THW) in Herten. „Das Ehrenamt ist so wichtig!“, sagt Lara. Als Ehrenamtliche half sie beispielsweise 2013 beim Elbhochwasser in Magdeburg und war tief beeindruckt davon, dass die von der Flut so stark betroffenen Menschen unbedingt etwas zurückgeben wollten, und seien es nur ein paar Flaschen Wasser für die Helfenden. 

Dem THW hat Lara Groß letztlich auch ihren heutigen Beruf zu verdanken. Ein Kamerad, der damalige Lkw-Fahrer ihrer Ortsgruppe, nahm sie einmal im THW-Laster mit. Und Lara entdeckte ihre Faszination für große Fahrzeuge. Als sie dann noch die Gelegenheit bekam, bei einem anderen THW-Kameraden, einem Berufskraftfahrer, im 40-Tonner mitzufahren, wusste sie: „Das will ich auch!“ 

Noch während des Anerkennungsjahres ihrer Erzieherinnenausbildung begann Lara, den Berufswechsel vorzubereiten. Sie wollte nicht nur den Führerschein erwerben, sondern auch die IHK-Prüfung absolvieren, die für die Arbeit im Güterverkehr vorgeschrieben ist. Und es sollten große Trucks sein, wie in Speditionen üblich. „Der THW-Lkw ist ja nur ein 18-Tonner, mit Anhänger sind es 25 Tonnen“, erzählt Lara. „Ich wollte aber die richtig Großen fahren.“ 

Sie recherchierte also Fahrschulen, Berufsbilder und Finanzierungsmöglichkeiten. Am Ende stand die Umschulung zur Berufskraftfahrerin. Im Kurs war sie die jüngste und die einzige Frau. 

Ihre Eltern und die meisten Freundinnen und Freunde unterstützten Lara, wenn sie sich auch ein paar Sprüche anhören musste. Das Spektrum reichte von „Das ist ja cool!“ über „Was willst du denn damit?“ bis hin zu „Lern doch erst mal richtig Autofahren.“ Tatsächlich war Lara nicht als souveräne Autofahrerin bekannt. „Ich konnte weder gut einparken noch richtig anfahren“, lacht sie heute. Einige Zweifel hatte sie deshalb schon bei ihrer Entscheidung. Doch die Faszination überwog, und ihre Eltern ermunterten sie, das zu machen, was sie glücklich macht. Heute ist sie fest überzeugt: „Lkw fahren war die beste Entscheidung meines Lebens!“ 

Ihren ersten Job bei einem Unternehmen aus dem Bausektor fand sie über einen bekannten Lkw-Fahrer, und zwar ganz ohne Bewerbungsschreiben. „Der Chef war noch vom alten Schlag, der hat sicher in seinem Leben noch nie eine Bewerbung gesehen!“ Ihre Aufgabe war es, Schüttgüter wie Sand oder Mutterboden und Schutt aus Abbrucharbeiten zu transportieren. „Fernverkehr wollte ich nie“, erzählt Lara. „Ich will abends bei meiner Familie und meinen Freunden sein.“ Ihr Chef unterstütze sie vom ersten Tag an. Sie bekam zu Beginn einen erfahrenen Kollegen an die Seite gestellt und wurde erst nach einigen Tagen alleine im Lkw losgeschickt. So wuchs sie recht schnell in die Aufgaben hinein. 

Probleme wegen Rollenklischees hatte sie nie. Ihre Kollegen erlebt sie als sehr hilfsbereit. „Echte Gentlemen“ beschreibt sie. Herablassendes Verhalten oder blöde Sprüche sind ihr unter Kollegen noch nie untergekommen. Außenstehende zeigen sich dagegen häufiger verwundert, fragen sie, wo denn der Fahrer sei, wenn sie mit ihrem Lkw im Einsatz ist, oder versuchen ihr oder auch ihren Fahrschülern zu erklären, wie sie Dinge anders und besser machen sollten. Lara Groß ist nicht der Mensch, der sich davon einschüchtern lässt. Wenn es sein muss, wird sie deutlich und verweist die Kommentatoren in ihre Schranken. 

Doch wie kam die Fahrschule noch hinzu? Der Inhaber ihrer Ausbildungsfahrschule sprach sie schon während der Ausbildung an, ob sie sich nicht den Job als Fahrlehrerin vorstellen könnte. Sie hatte schon alle Fahrerlaubnisse, die damals Pflicht waren. Zuerst war Lara unschlüssig, doch schließlich absolvierte sie auch die Fahrlehrerinnenausbildung, parallel zu ihrer Arbeit in der Bau- und Abbruchfirma. 

Ihr damaliger Fahrlehrer ist dabei ihr großes Vorbild „Er ist in jeder Situation so tiefenentspannt“, sagt Lara. „Ihn bringt nichts aus der Ruhe, und das ist wichtig in dem Beruf.“ Ihre erste Ausbildung kann sie gut verwenden, denn Pädagogik spielt in der modernen Fahrlehrerausbildung und natürlich im Unterrichtsalltag eine große Rolle. Sie selbst unterrichtet heute in einer anderen Fahrschule „um meine eigenen Erfahrungen machen zu können und mich nicht ständig mit meinem damaligen Fahrlehrer zu vergleichen“, wie sie erklärt. 

Lara Groß macht offen Werbung für das Lkw-Fahren, und sie bedauert, dass sich nur wenige Frauen dafür entscheiden. „Wenn Frauen zu uns kommen, dann kommen die meistens von der Feuerwehr, dem Rettungsdienst oder dem Katastrophenschutz. Aber kaum eine will Berufskraftfahrerin werden“, stellt Lara fest. „Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Frauen trauen. Lkw-fahren müsste auch Mädchen in der Berufsberatung vorgeschlagen werden“, findet sie. „Bei mir war das nicht so.“ 

Wer sich für den Beruf interessiert, sollte ihn einfach ausprobieren, rät Lara Groß. „Man kann zum Beispiel einen Schnuppertag in einer Spedition machen, sich über die Ausbildung informieren oder auch ehrenamtlich bei der Feuerwehr oder dem Katastrophenschutz mitmachen.“ Sie selbst hat mittlerweile in ihrer THW-Ortsgruppe das Lkw-Fahren übernommen. 

Tatsächlich sind die Berufsaussichten mehr als gut. Laut dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e. V. fehlen in den nächsten Jahren zwischen 60.000 und 80.000 Fahrerinnen und Fahrer.

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