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Alu Kitzerow und Konstantin Manthey

„Für mich ist es keine einfache Aufgabe meine Kinder klischeefrei zu erziehen“

Klischeefreie Erziehung und ihre Hürden

In unserem Haushalt leben drei Kinder und wir zwei Eltern. Konsti und ich kommen aus unterschiedlichen Hintergründen. Doch in Erziehungsfragen sind wir nah beieinander. Das ist auf unsere Kindheitserfahrungen zurückzuführen. Jeweils anders, aber dennoch geborgen waren unsere Kinderjahre.

„Für mich ist es keine einfache Aufgabe meine Kinder klischeefrei zu erziehen“

Für diesen Beitrag haben wir darüber gesprochen, wie wir unsere Kindheiten erlebt haben und was wir davon mitnehmen. Bei meinem Mann war Klischeefreiheit kein Thema, da sich seine Eltern diese Frage nicht stellten. Gleichwohl erinnert er seine Erziehung in diesen Dingen als offen. Seine Eltern machten ihm klar: Er könne alles werden und sie hätten alle Lebenswege unterstützt.

Auch ich wurde, nach heutigen Kriterien, relativ klischeefrei erzogen. Ich lernte Windsurfen und hatte gleichzeitig Barbiepuppen und He-Man-Figuren vom Flohmarkt in meinem Fundus. Meine Anziehsachen kamen zu Kindergartenzeiten von meinen Cousins. Ich begleitete meinen Vater auf seine Baustellen und meine Mutter auf ihre Forschungstreffen.

Als wir nun unsere Kinder bekamen, versuchten auch wir vor allem nachhaltig und frei von festen Rollenbildern zu erziehen – und stellten fest: Das ist mehr als 25 Jahre danach eher schwieriger. Denn die viel Auswahl an Produkten bedeutet ebenfalls vermeintliche Zielgruppenfestlegung. Wir benötigten eine Weile, um uns in der Familienkonsumwelt zurecht zu finden und nicht den Werbeversprechen zu verfallen. Dabei kamen wir irgendwann zu einem gemeinsamen Schluss: Farben sind für alle da!

Seine Sicht

Konsti: Für mich ist es keine einfache Aufgabe meine Kinder klischeefrei zu erziehen. Doch das ist kein Grund es nicht trotzdem zu probieren. Immer wieder denke ich über das nach, was ich sage, tue, kaufe und somit vermittle (und was die Welt so tut).

Bei unserer jüngsten Tochter, einem 4-jährigen Kindergartenkind, kommt es vor, dass diese oder jene Sache nur für Jungen oder eben nur für Mädchen ist. Ich halte dann dagegen, denn „Farben sind für alle da“. Der Kleinen zeigen wir damit, dass alles möglich ist. Doch ihre eigene Welt will ich ihr auch nicht nehmen. Sie hat, viel mehr als ihre großen Geschwister (damals), eine Vorliebe für die Farbe pink. Dies jedoch darf sie nicht einschränken. Unser Mädchen ist genauso gern Ritterin oder Astronautin wie eine kleine Fee. Denn ihr Geschlecht ist keine Grenze. Sie kocht mit mir, bepflanzt mit ihrer Mama den Garten oder hilft uns beim Anstreichen des Zauns. Für sie ist wichtig: Sie muss dabei sein und lernen. Dort, wo voreilige Typisierungen durchkommen, bereden wir es mit ihr. Wirklich wichtig wird es ihr am Ende nicht.

Wenn ich sie aus dem Kindergarten abhole, dann kann man die teilweise Rollenprägung jedoch spüren. „Jungs weinen nicht”, höre ich dann. Verwundert teile ich dem Kitafreund der Jüngsten mit, dass man auch als Junge weinen darf. Im Großen und Ganzen, so hoffe ich, sind wir auf dem richtigen Weg. Unsere Kinder können alles erreichen. Sie dürfen spielen, womit sie wollen und sie dürfen werden, was sie möchten. Ich würde sie auf jedem Weg begleiten.

Ihre Sicht

Alu: Neben zwei Töchtern haben wir einen Sohn und dieser kleine Kerl ist ein richtiger Tänzer. Schon immer hat er eine gute Körperspannung, gepaart mit Rhythmusgefühl, gehabt. In Konstis Vaterjahr belegten die beiden einen Kleinkind-Musik-Kurs. Wir ermutigten ihn zum freien Tanz oder zum Ballett zu gehen. In den ersten Wochen kam ihm das Tanzen in einer reinen Mädchengruppe doch recht seltsam vor. „Warum tanzt hier kein Junge?“, fragte er. Wir Eltern konnten auch nur mit den Schultern zucken. Sicherlich war der Sohn nicht der einzige Junge mit einem Interesse an Tanz und Bewegung, oder doch? Wir kauften ihm Leggins und ein Haarband und besuchten seine kleinen Schneeflocken-Aufführungen im Winter. Während ihn seine Freunde mit „Kämpfen“ locken wollten, bewegte sich der Sohn lieber als ein Ninja (oder eine Katze). Er ließ seine Haare wachsen und seine große Schwester sang und tanzte mit ihm zusammen durch unsere Wohnung. Sie lieh ihm ihre bunten Leggins und größeren T-Shirts für den Tanz. Sie wiederholte mit ihm unser Credo „Farben sind für alle da (und Tanzen auch)“. Obwohl er irgendwann sein Interesse am Tanzen verlor, behielt er für sich viele Grundsätze (und seine Vorliebe für Leggins) bei.

Irgendwann wurde er ein großer Bruder und redete auf die jüngere Schwester ein, die seltsamerweise doch manchmal noch glaubt, dass es Mädchenfarben oder Jungsfarben geben würde. Gemeinsam mit Papa zeigte er ihr, dass auch kleine und große Männer Haarspangen tragen können (auch wenn sie schrecklich ziepen würde, sagte er). Außerdem versucht er auch nach all den Jahren noch zu verstehen, was die Faszination von Fußball ausmacht.

Regelmäßig stelle ich fest, dass er mit dieser Offenheit in der Grundschule allerdings ziemlich allein dasteht. Viele seiner Klassenkameraden wiederholen erlernte Sätze wie „Männer heulen nicht“ oder „Ein Mann kennt keinen Schmerz“. Das verwundert ihn und uns. „Mein Papa weint aber auch manchmal“, erzählt er dann und berichtet, dass eigentlich alle bei uns daheim ziemlich dicht am Wasser gebaut sind. Als Familie schauen wir bestimmte Filme lieber nicht ohne eine Großpackung Taschentücher. Schmerz kennen hier auch alle, völlig unabhängig vom Geschlecht.

Viele Festlegungen durch andere oder auch durch Konsumgüter erschweren uns eine gewünschte Erziehung ohne Klischees. Damit gilt es sensibel umzugehen und darauf aufmerksam zu machen. Denn jeder Erwachsene sollte seine Verantwortung kennen, eine vielfältige Gesellschaft zu erhalten und sichtbarer zu machen. Es lohnt sich immer vorher zu überlegen, was man sagt und wie es beim Gegenüber ankommen könnte. Blau ist ebenso keine Jungsfarbe, wie Grün nicht nur rothaarigen Menschen steht. Farben sind eben für alle da.

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