„Was wird es denn?“ ist eine der ersten Fragen, die werdenden Eltern gestellt wird. Diese Frage bedeutet gleichzeitig den Start in unsere weibliche oder männliche Sozialisation, denn je nach Antwort geht es für die Kinder auf meist unterschiedlichen Wegen weiter. Neugeborene werden in rosa oder hellblau gekleidet. Spielzeuge und Bücher schon für Kleinkinder sind nach Geschlecht unterschieden. Kindergartenkindern ist klar, dass die Farbe Rosa, Feen und Pferde für Mädchen sind und die Farbe Blau, Autos und Superhelden für Jungs.
In ihrem Alltag erleben viele Kinder, dass auch die Erwachsenen bestimmte, nach Geschlecht unterteilte, Aufgaben übernehmen. Frauen widmen sich stärker der Kinderbetreuung, der Sorge- und Hausarbeit und sind deshalb häufig teilzeitbeschäftigt, während Männer dem Modell des Haupternährers nachgehen und sich im Hause eher um handwerklich-technische Dinge kümmern. Auch wenn dies nicht überall und überall gleich stringent gelebt wird und die Wirklichkeit vieler Kinder bunt und vielgestaltig ist, lernen sie im Großen und Ganzen schon früh, welche Tätigkeiten eher von Frauen und welche eher von Männern ausgeübt werden und damit, was einen „typischen“ Jungen und was ein „typisches“ Mädchen ausmacht. Im Alter von drei bis vier Jahren haben Kinder bereits recht klare Rollenbilder im Kopf.
Der Frühen Bildung kommt in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zu. Eine klischeefreie Frühe Bildung kann Kindern andere Bilder mit auf den Weg geben und ihnen den Raum zur Verfügung stellen, sich frei von Klischees auszuprobieren. Nichts spricht gegen rosa Glitzer, Feen und Prinzessinnen, genauso wenig wie gegen Autos und Superhelden – wenn alle Kinder in diese Welten eintauchen und ihren Interessen nachgehen können, unabhängig vom Geschlecht. Die Voraussetzung dafür ist eine geschlechterreflektierte Haltung in der Frühen Bildung, denn Rollenklischees begegnen uns an vielen Stellen, und häufig sind wir uns unserer eigenen Klischees nicht bewusst.
Rollenklischees haben Auswirkungen auf die Berufs- und Studienwahl. So kommt es, dass sich bis heute eine Mehrheit der jungen Frauen für eine Ausbildung oder ein Studium in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Soziales entscheidet. Eine Mehrheit der jungen Männer wählt dagegen einen technisch-gewerblichen Beruf oder studiert ein ingenieur- oder naturwissenschaftliches Fach. Die schon früh verinnerlichten Klischeevorstellungen werden immer wieder reproduziert, zum Beispiel in Werbung und Marketing, in Filmen und durch Influencer, auch durch Erzieherinnen, Erzieher und Lehrkräfte. Das führt schließlich dazu, dass der gesamte Arbeitsmarkt stark von Geschlechterklischees geprägt ist und sich Frauen und Männer dort sehr unterschiedlich verteilen. Eine Berufs- und Studienwahl frei von Klischees wurzelt also in möglichst klischeefreiem Aufwachsen.
Mit unserem Themendossier zur Frühen Bildung wollen wir uns für eine klischeefreie Frühe Bildung stark machen. Wir erläutern die Zusammenhänge zwischen Früher Bildung und Berufswahl und beleuchten, ob das Geschlecht der Fachkräfte in Kitas eine Rolle spielt. Wir lassen Expertinnen und Experten aus der Kita-Praxis zu Wort kommen, und wir lassen Alu Kitzerow und Konsti Manthey, Eltern von drei Kindern und Betreiber*innen des Blogs grossekoepfe.de über ihre Erfahrungen sprechen. Sascha Verlan und Almut Schnerring von der „Rosa-Hellblau-Falle“ geben Einblicke in das Gendermarketing von Spielzeug. Praktische Tipps für den Erziehungsalltag runden das Dossier ab. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen.