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„Ich möchte, dass alle Kinder unabhängig von der Herkunft der Eltern die gleichen Startchancen ins Leben haben“

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey im Interview

Dr. Franziska Giffey
Franziska Giffey

Liebe Bundesministerin Giffey, für Kita-Kinder und ihre Eltern liegt die Berufswahl noch in weiter Ferne. Im aktuellen Themendossier beschäftigt sich die Initiative Klischeefrei mit Früher Bildung, Geschlechterklischees und Berufswahl. Wie würden Sie Eltern den Zusammenhang erklären?

Wir leben unseren Kindern täglich Rollenmuster vor. Wer kümmert sich ums Putzen, Wäsche waschen, den nächsten Kindergeburtstag? Diese Entscheidungen beeinflussen, welches Bild sich unsere Kinder von Frauen und Männern machen. Wir sollten uns nicht täuschen: Klischees fangen früh an. Bereits mit drei oder vier Jahren haben Kinder eine Vorstellung davon, wie Frauen und Männer sind bzw. was sie tun.

Wer so früh geprägt wird, hat es später schwer, sich für einen vermeintlich vom anderen Geschlecht dominierten Beruf zu entscheiden. Wenn wir wollen, dass sich unsere Kinder frei von Geschlechter­klischees für einen Beruf oder ein Studium entscheiden, müssen wir ihre Köpfe und Herzen offen­halten.

Der Bund hat in den vergangenen Jahren viel für den Ausbau der Kindertagesbetreuung getan. Ein Fokus lag dabei auch auf der Gewinnung von Männern für den Erzieherberuf. Warum brauchen wir mehr Männer in Kitas?

Das hat zum einen ganz praktische Gründe: Wir brauchen mehr Fachkräfte. Eine OECD-Studie hat im vergangenen Jahr gezeigt, dass in 9 von 10 Kitas ein Fachkräftebedarf besteht. Männern eröffnet das Berufsfeld neue Chancen – abseits von Geschlechterklischees. Seit unserem Programm „Mehr Männer in Kitas“ wissen wir auch, dass sich viele Männer für den Erzieherberuf interessieren.

Zum anderen ist es wichtig, dass Kinder in der Kita männlichen und weibliche Fachkräften begegnen. Die Kita ist doch keine männerfreie Zone. Wenn für Kinder männliche Erzieher selbstverständlich sind, lernen sie, dass Bildung, Betreuung und Erziehung nicht allein „Frauensache“ ist. Sondern dass alle diese Aufgaben übernehmen und gut erfüllen können.

Gleichzeitig muss sich das Team einer guten Kita mit Geschlechterklischees auseinandersetzen. Wenn die männlichen Fachkräfte mit den Jungs nur Fußball spielen und die weiblichen mit den Mädchen Blümchen malen, dann ist nichts gewonnen. Aber ich bin da sehr optimistisch. Hier gilt wie überall – bunte, gemischte Teams sind kreativer und produktiver als homogene. Und Qualität in Kita und Kindertagespflege hat viele Dimensionen!

Gerade, weil Kinder traditionelle Rollenbilder schon sehr früh verinnerlichen, kann eine klischeefreie Frühe Bildung eine Chance für alle Kinder sein, neue oder andere Erfahrungen zu machen und sich jenseits von einengenden Rollenbildern auszuprobieren. Was können Bund, Länder und Kommunen auf der politischen Ebene dazu beitragen?

Mit unserer Initiative Quereinstieg, der Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erziehern und dem Gute-KiTa-Gesetz haben wir wichtige Weichen gestellt, um den Erziehungsberuf attraktiver zu ge­stalten und die Qualität in den Einrichtungen zu stärken. Darüber hinaus investieren wir mit unserem 5. Investitionsprogramm eine Milliarde Euro zusätzlich in die Schaffung von bis zu 90.000 Plätzen. Am Ende muss es das gemeinsame Ziel von Bund, Ländern und Kommunen sein, die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen flächendeckend zu verbessern, damit sich mehr Menschen für diesen Beruf entscheiden. Niemand soll sich fragen müssen, ob er oder sie es sich leisten kann, Erzieherin oder Erzieher zu werden. Deshalb fördern wir von Bundesseite die vergütete Ausbildung und den Wechsel von Theorie und Praxis. Die Ausbildungsvergütung hat insbesondere für Jungen und junge Männer bei der Frage, für welchen Beruf sie sich entscheiden, einen hohen Stellenwert. Hier setzen wir ganz bewusst an.

Natürlich müssen auch die Länder und Kommunen ihren Teil dazu beitragen. Wir unterstützen sie in ihren Bestrebungen, Fachkräfte zu gewinnen, zu halten und damit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Das Gute-KiTa-Gesetz, die Fachkräfteoffensive des Bundes und die Maßnahmen der Länder greifen dabei an vielen Orten ineinander. Ein Beispiel ist Bremen, wo Mittel aus dem Gute-KiTa-Gesetz dazu genutzt werden, sozialpädagogische Berufe und Ausbildungsformate für neue Zielgruppen attraktiver zu machen. Sicherlich wäre es auch hilfreich, Klischeefreiheit in Ausbildungsordnungen und Studienordnungen unterzubringen.

Mit dem Gute-KiTa-Gesetz unterstützt der Bund seit 2019 die Länder dabei, die Qualität der Kindertagesbetreuung zu verbessern. Was macht für sie persönlich eine gute Betreuungsqualität aus?

Ich möchte, dass alle Kinder unabhängig von der Herkunft der Eltern die gleichen Startchancen ins Leben haben. Damit es jedes Kind packt. Dazu gehört eine qualitativ hochwertige Betreuung für alle Kinder in den Kitas. Mit dem Gute-KiTa-Gesetz haben wir deshalb gemeinsam mit den Ländern den Grundstein für eine Weiterentwicklung der Qualität und eine bessere Teilhabe in der Kindertages­betreuung gelegt. Was eine besonders gute Kita oder Kindertagespflege ausmacht, kann dabei ganz unterschiedlich sein: bedarfsgerechte Öffnungszeiten, ein guter Fachkraft-Kind-Schlüssel, eine starke Kita-Leitung, eine ausgewogene Ernährung, sprachliche Bildung und vieles mehr. Wir fahren bislang sehr gut damit, den Ländern hier einen Handlungsspielraum in zehn Qualitätsfeldern zu lassen und sie anhand ihrer eigenen Entwicklungsbedarfe zu unterschützen.

Das Interview führte Margit von Kuhlmann.

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