05.12.2022 | Margit von Kuhlmann
Der Digital Gender Gap
In der Bevölkerung sind digitale Kompetenzen ungleich verteilt. Wie kompetent jemand mit Internet, Computer & Co. umgehen kann, hängt neben Alter, Bildungsgrad und beruflicher Stellung auch vom Geschlecht ab. Ein Einblick.

Internationale Studien wie Bridging the Gender Divide der OECD1 oder I’d blush if i could. Closing Gender Devides in Digital Skills through Education der UNESCO2 stellen fest, dass Frauen weltweit nicht im gleichen Maße an der Digitalisierung teilhaben und über weniger Kompetenzen verfügen als Männer. Zudem streben sie seltener ein Studium mit IT-Bezug an als Männer – mit Ausnahme einiger arabischer Länder mit einem fast ausgeglichenen Verhältnis.
Im Digital Index, einer jährlich erscheinenden Studie zum Digitalisierungsgrad der deutschen Bevölkerung, werden unter anderem die so genannten „digital Abseitsstehenden“ und die „digitalen Vorreiter“ beschrieben. Frauen fallen überdurchschnittlich häufig in die erste Gruppe, Männer in die zweite.3
Dabei gelten digitale Kompetenzen unbestritten als notwendig, um weiterhin gesellschaftlich teilhaben und auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können. Es geht nicht nur um Anwendungskenntnisse, sondern vor allem auch um die Gestaltung, den Umgang mit und die Einordnung neuer Produkte, Technologien oder Informationen. Nur digital kompetente Menschen, Männer wie Frauen, können dies leisten.
Dies veranlasste die Initiative D21 dazu, genauer hinzusehen: Die Sonderauswertung Digital Gender Gap. Lagebild zu Gender(un)gleichheiten in der digitalisierten Welt zeichnet ein weit facettenreicheres Bild, als es auf den ersten Blick scheint.4 Alter und Bildungsgrad tragen ebenso zu Kompetenzunterschieden bei wie der ausgeübte Beruf und die Hierarchieebene.
Zugang zum Internet
Wie sehen einzelne Aspekte des digitalen Lebens genau aus? Eine große Mehrheit von 91 Prozent der Deutschen hat zu Hause einen Internetanschluss, 82 Prozent gehen mobil online. Der mobile Anteil steigt seit Jahren und nähert sich immer mehr dem allgemeinen Anteil an. Je höher der Bildungsgrad und je jünger die Menschen, desto mehr wird das Internet genutzt. Dies wirkt sich auf die Geschlechterverteilung aus. 88 Prozent der Frauen und 94 Prozent der Männer nutzten 2021 das Internet. Die Quote der Offliner fiel erstmals unter 10 Prozent. Sie sind zu 70 Prozent weiblich, verfügen zu 76 Prozent über einen niedrigen Bildungsabschluss (kein Abschluss oder Volks-/Hauptschule) und fast die Hälfte wurde 1945 oder früher geboren. Menschen mit hoher Bildung sind so gut wie alle online (98 Prozent).5
Bedingt durch die Corona-Pandemie hat die Nutzung digitaler Anwendungen und Dienste stark zugenommen. Für Unterschiede sorgen auch hier das Alter und der Bildungsgrad, weniger jedoch das Geschlecht.6
Kompetenzunterschiede
Aus den Daten der Sonderauswertung des Digitalindex zum Digital Gender Gap geht über alle Altersklassen und unabhängig vom beruflichen Status ein Vorsprung für Männer bei den digitalen Kompetenzen hervor. Lediglich beim Übertragen von Dateien von einem auf ein anderes Gerät liegen beide Geschlechter gleich auf. 93 Prozent der Befragten sagen von sich, sie verfügten über diese Kompetenz. Jeweils 83 Prozent geben an, zu wissen, was eine Cloud ist. In nahezu allen anderen Bereichen schätzen Männer ihre Kompetenz höher ein als Frauen.7
Die Zahlen des Digitalindex basieren zum Teil auf Selbsteinschätzungen. Dass Frauen dazu tendieren, ihr Können zu unterschätzen, während Männer ihres eher überschätzen, ist aus anderen Studien bekannt, die Autorinnen der Digital-Gender-Gap-Studie weisen darauf hin. Dies muss bei der Interpretation der Zahlen mitgedacht werden.
Dennoch erreichen junge Frauen bis 24 Jahre im Schnitt mehr Indexpunkte8 (62) im Subindex „Kompetenz“ als Männer zwischen 45 und 65 Jahren (55). Frauen mit qualifizierter Tätigkeit erreichen einen höheren Indexwert (55) als Männer mit Lehre bzw. Ausbildung (49)9