05.12.2022 | Vaclav Demling
Über welche digitalen Kompetenzen verfügen Kinder und Jugendliche?
Digitale Kompetenzen sind heutzutage in nahezu allen Berufen gefragt. Doch wo stehen Kinder und Jugendliche diesbezüglich in Deutschland? Über welche digitalen Kompetenzen verfügen sie? Und welche Unterschiede gibt es zwischen Mädchen und Jungen?
Die digitalen Kompetenzen junger Menschen in Deutschland heute sind die digitalen Kompetenzen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von morgen. Kinder und Jugendliche erwerben digitale Kompetenzen in der Schule, im Elternhaus und auch an außerschulischen Lernorten, formell wie informell und in ganz unterschiedlichem Ausmaß.
Selbstverständlich aber brauchen junge Menschen beim Eintritt in die berufliche Ausbildung oder bei Studienbeginn Fähigkeiten, um in der digitalen Welt, die sie umgibt, kompetent agieren zu können. Doch welche Fähigkeiten sind das und wo und wie erwerben junge Menschen diese Kompetenzen? Dieser Beitrag gibt eine Übersicht über den aktuellen Stand in Deutschland in Bezug auf digitale Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen und nimmt dabei insbesondere Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen in den Blick.1
Wo stehen junge Menschen heute?
Werfen wir also zunächst einen Blick auf den Ist-Zustand: Über welche digitalen Kompetenzen verfügen Kinder und Jugendliche heute in Deutschland? Erkenntnisse darüber liefern insbesondere die sogenannten PISA-Studien2 der OECD, also internationale Schulleistungsuntersuchungen, die in regelmäßigen Abständen weltweit durchgeführt werden. Spezifische Daten zu Fähigkeiten im digitalen Bereich liefert außerdem eine weitere international vergleichende Schulleistungsuntersuchung, nämlich die ICILS-Studie (International Computer and Information Literacy Study)3. Darüber hinaus widmet sich auch die Studie „Coding und Charakter“4 der Vodafone-Stiftung den digitalen Kompetenzen der Jugendlichen in Deutschland, ebenso der Digital Index5, das jährliche Lagebild zur Digitalen Gesellschaft der Initiative D21.
Lesekompetenzen im digitalen Zeitalter
Die PISA-Studie widmet sich digitalen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern nicht in ihrem Kern, aber die OECD hat 2021 eine Sonderauswertung zu Lesekompetenzen und Lesegewohnheiten von Jugendlichen in Zeiten der Digitalisierung6 veröffentlicht. Dabei zeigt sich, dass die Möglichkeiten zum Erwerb digitaler Kompetenzen in der Schule in Deutschland in allen Aspekten unter dem jeweiligen OECD-Durchschnitt liegen. Beispielsweise wissen nur 46,5 Prozent (62,6 Prozent OECD)7 der deutschen Jugendlichen, wie man verschiedene Webseiten miteinander vergleicht und wie man entscheidet, welche Informationen für eine Aufgabe in der Schule geeigneter sind. Auch bei der Erkennung von gefälschten Mails hinken die Schülerinnen und Schüler in Deutschland dem OECD-Schnitt hinterher (25,3 Prozent zu 41,2 Prozent)8.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Nutzung digitaler Geräte in der Schule bzw. für schulische Zwecke mit einer um 27 Punkte verringerten Leistung im Bereich Lesekompetenz einhergeht9 – ob hier ein kausaler Zusammenhang besteht, ist unklar. Jedenfalls sollten digitale Medien und klassische Lernformen nicht gegeneinander ausgespielt werden: Die Autorin der PISA-Sonderauswertung Prof. Dr. Christine Sälzer verweist auf andere Studien, wonach die Kompetenzentwicklung verbessert wird, wenn Lehrkräfte digitale Medien und Geräte gezielt und auf didaktisch abgestimmte Art und Weise für bestimmte Lernprozesse nutzen.10
Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen
Auf geschlechtsspezifische Unterschiede geht die PISA-Sonderauswertung nur in Bezug auf Lesekompetenzen im Allgemeinen ein, nicht speziell auf digitale Fähigkeiten. Es kann jedoch angenommen werden, dass die Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen im Bereich Lesekompetenz auf analoges und digitales Lesen gleichermaßen zutreffen. Mädchen verfügen im Schnitt über eine höhere Kompetenz im sogenannten Lesestrategiewissen11, also im Verstehen und Behalten von Texten, im Zusammenfassen von Informationen sowie im Beurteilen der Glaubwürdigkeit von Quellen.
IT-bezogene Kompetenzen von Jugendlichen
Anders als die PISA-Sonderauswertung beschäftigt sich die ICILS-Studie (International Computer and Information Literacy Study) nicht nur mit Lesekompetenzen, sondern mit computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Jugendlichen. Die letzte Veröffentlichung stammt aus dem Jahr 2019 und bezieht sich wie die PISA-Studie auf Daten aus dem Jahr 2018.12
Die ICILS-Studie ist derzeit die wichtigste Studie, wenn es darum geht die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern zu messen, zum einen wegen ihrer internationalen Vergleichbarkeit, zum anderen, weil sie untersucht, unter welchen Rahmenbedingungen (schulisch und außerschulisch) Schülerinnen und Schüler diese Kompetenzen erwerben. Nicht zuletzt handelt es sich um eine wiederholende Studie, die Trends sichtbar macht.
Konkret werden mit ICILS zum einen „Computer und informationsbezogene Kompetenzen (CIL)“ und zum anderen „Computational thinking (CT)“ untersucht.